Renaturiert statt kontaminiert: Zurück zur Natur am Bühlsbach

Inzwischen fließt der Bühlsbach wieder natürlich. | Foto: PR-Foto Köhring/KP
  • Inzwischen fließt der Bühlsbach wieder natürlich.
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Noch bis zum 11. Dezember 2012 fanden Anwohner und Spaziergänger auf dem Gelände hinter den Häusern am Nachbarsweg 45 und 47 eine gewachsene Garagenfabrik vor. Vor allem Lederhandschuhe wurden seit den 1920er-/30er-Jahren in der ehemaligen Lederfabrik und Gerberei der Brüder Fassbender hergestellt - bis 1994, als man feststellen musste, dass der Betrieb so nicht länger weitergeführt werden durfte.

Sehr hohe Belastungen von Boden, Sediment des Bühlsbachs und Grundwasser waren die Folge jahrelanger unsachgemäßer Arbeitsweise. So wurden Reststoffe und Abfälle einfach auf dem Gelände entsorgt, der kleine Bach in ein Rohrsystem gezwängt, sodass Schadstoffe schneller abflossen. Weil der Erbe die Sanierungskosten in Höhe von 350.000 Euro nach der Schließung der Fabrik nicht übernehmen konnte oder wollte, schlug er das Erbe aus. Grundstück und Fabrik fielen zunächst ans Land NRW, jetzt ist die Stadt Mülheim Eigentümerin. Verantwortlich für die Sanierung war vor allem das Amt für Umweltschutz.
Seitdem fließt der Bühlsbach, der am Saarnberg entspringt, sich mit dem Schengerhofbach vereinigt und auf Höhe Saarner Auenweg in die Ruhr mündet, wieder natürlich, also an der tiefsten Stelle des rund 2.500 Quadratmeter großen Geländes. Von gefährlichen ChromIII-/VI- und anderen Rückständen keine Spur mehr.
Oberhalb der Aue, als Nebenfläche zum Gewässer, wächst ein Gehölzstreifen mit Weißdorn und Hasel heran, darüber - als gepflegte Abgrenzung zu den Grundstücken der Anwohner - eine Wiese. Auf dem mageren Lehmboden sprießen die ersten Blümchen, Insekten schwirren durch die Luft. Andere Wildtiere hatten aufgrund der Bauarbeiten zunächst die Flucht ergriffen, „ich bin mir aber zu 100 Prozent sicher, dass die alle wiederkommen“, glaubt Gabriele Wegner, stellvertretende Leiterin des Umweltamtes. Langfristig soll hier ein Erlen-/Eschenwald entstehen, die ersten sechs Bäume wurden bereits gepflanzt. Insgesamt sind die Beteiligten mit ihrem Ergebnis, unter anderem wurden 800 Tonnen Bauschutt und 1.200 Tonnen belasteter Boden abgefahren und entsorgt, sehr zufrieden: „Schön, die Natur erobert sich ein Stück Stadt zurück!“ Und noch eine gute Nachricht: Letztendlich betrugen die Kosten statt 350.000 Euro nur 265.000 Euro, von denen 80 Prozent vom Land übernommen wurden.

Gegen "Urwald": Anwohner äußert eigene Wünsche

Eine gepflegte Parkanlage, angebunden an das Gelände an der Langenfeldstraße, dagegen hätte sich Jürgen Lübeck gewünscht. Von der Bachaue, dieser „angelegten Wildnis“, ist der Anwohner gar „nicht begeistert“. Zwar sei er froh, dass das Gebäude weg ist. Und dennoch: „Die haben hier ewig gebuddelt, aber es ist nicht wirklich was draus geworden. Das hier hat keinen Erholungswert“, wirft er einen kritischen Blick über Flora und Fauna. „Schrecklich. Jeden Tag haben wir dieses Chaos vor Augen“, spricht er, laut eigener Aussage, auch für die anderen Anwohner.
Umweltdezernent Peter Vermeulen erklärt: Als die Stadt Eigentümer des Geländes wurde, habe es natürlich Pläne gegeben, eine gepflegte Anlage zu gestalten. Aber: „Die Stadt war zu dieser Zeit im Nothaushalt, es fehlten die finanziellen Mitteln.“ Insofern war die renaturierte Bachaue der beste Kompromiss - sowohl aus wirtschaftlicher Sicht als auch im Hinblick auf den ökologischen Mehrwert. Langfristiges Ziel: eine „naturnahe Entwicklung“, die weitestgehend sich selbst überlassen werden kann.
Allerdings: Wenn der Landschaftsplan geändert ist - und das soll voraussichtlich noch in diesem Jahr passieren -, hat die Stadt auch ein Planungsrecht. Und dann kann zumindest an eine Anbindung an die dahinter gelegene Wiese und Parkanlage nachgedacht werden.

Betreten ausdrücklich erlaubt

Das Landschaftsschutzgebiet darf - im Gegensatz zu Naturschutzgebieten - gern betreten und erkundet werden. Das Gelände ist allen frei zugänglich, selbst Hunde sind erlaubt. Das zeige, so Landschaftsarchitekt Gerald Angstmann, dass sich die Menschen die Aue auch wieder zurückerobern könnten.

Autor:

Lisa Peltzer aus Oberhausen

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