Friederike pennt bei uns
Haben Sie alle den Sturm letzte Woche leidlich überstanden? Kommen Sie mit den Aufräumarbeiten voran? Ich hoffe, es ist Ihnen nichts Schlimmes passiert und sie haben keinen Schaden an Leib und Leben genommen!
Bei mir ist dieses Mal im Prinzip alles gut gelaufen:
Alle meine Bäume stehen unversehrt aufrecht und sämtliche Dachziegel liegen an ihren angestammten Plätzen. Meinen neuen Schlitten band ich rechtzeitig am Haus fest und die mobilen Außensitzgelegenheiten nebst sämtlicher petroler Sommerbeleuchtung schleppte ich während des lostobenden Orkans in die Garage. Als alles sicher verwahrt dort drinnen stand, ließ sich das Tor nicht mehr schließen: Es blähte voll auf wie ein Segel im Sturm auf dem Meer und hatte sich so verkeilt, dass es klemmte. Während ich noch damit kämpfte, aber kurz vor dem Durchbruch stand, hörte ich durch das Tosen schweres Bersten von Holz und die Erde erzitterte in einem mittleren Erdbeben.
Wohl durch dieses zusätzliche Wackeln gab sich das Tor geschlagen und surrte scheppernd zu, während ich fast so schnell wie Friederike ins Haus stürmte. Die schwere Haustür krachte hinter mir ins Schloss und ich entschied, die Hütte heute nur noch im Notfall zu verlassen. Überschwemmung, Flugzeugabsturz oder ähnliches.
Ich gedachte des armen Baumes, dessen Endes ich eben akustischer Zeuge gewesen war und machte mir erst mal einen Kaffee. Wer weiß, wie lange das noch ginge, wenn erst einmal der Strom ausfiele. Das kennt man ja.
Von den folgenden anderthalb Stunden will ich jetzt mal nicht reden, die verbrachte ich schlotternd mit der Kaffeetasse im Arm an meinem Schreibtisch. Der Orkan prügelte auf das Haus ein, er peitschte die Bäume, würgte sie und versuchte sie zu lynchen – gearbeitet habe ich jedenfalls nichts. Das Haus klagte, es stöhnte, es schwankte – aber es hielt stand und ließ sich nichts abreißen.
Wohl weil Friederike von vorne nichts ausrichten konnte, drehte sie wütend und blökte dann von hinten los. Sie nahm beide Backen voll Druckluft und pustete den Kärcherstrahl mit aller Macht in den Teich. Eine gewaltige Wasserfontäne peitschte auf und fatschte grün auf meine Fenster nach hintenraus. Dem weiteren Verlauf des Schauspiel konnte ich erst nach einer Weile wieder folgen, als das Algenzeug heruntergelaufen war.
Ich hatte nicht geklatscht und so ganz ohne Applaus hatte die Windschickse wohl keinen Bock mehr auf das Spektakel. Brüllend zog weiter.
Die Flaute nahm ich zum Anlass, mein Anwesen in Augenschein zu nehmen. Hocherfreut stellt ich dessen Unversehrtheit fest – doch betrübte mich der anschließende Blick ins Umland gewaltig! Der arme Baum von vorhin war einer der Bäume meines Nachbarn gewesen. Ein wunderschöner alter Laubbaum lag quer auf der Wiese.
Wie ich zum Haus zurück ging, entdeckte, ich, dass Friederike beim Nachbarn noch einen weiterer Baum stark eingekürzt hatte. Anklagend ragten pfeilspitze Splitterstellen zum Himmel. Mich dauert so was immer sehr, ich liebe Bäume.
Was erledigt man als Erstes, wenn man ein Unwetter heil überstanden hat?
Man informiert seine Liebsten!
Ich begann mit meiner Mutter, die macht sich immer mehr einen Kopp um mich als mein Mann. Der weiß, dass ich mich sowieso sofort melde, wenn was nicht passt. Schließlich bin ich ihm erst letzten Freitag wieder Schlag sechs Uhr früh mit der Heizung auf den Wecker gefallen. Meine Mutter wohnt mehrere hundert Kilometer weit weg, das ist doppelt nervenaufreibend für sie.
Ich sprudelte also in den Hörer, meine Mutter beruhigte sich auch sofort, was ihr einziges Kind nebst Familie angeht - vielleicht lag das aber auch daran, weil sie mit eigenen Wetterfolgen abgelenkt war: „Der Sturm hat die Terrassentür vom Schlafzimmer reingedrückt! Stell dir das mal vor!“, forderte sie mich entrüstet auf.
„Und jetzt? Pfeift der da jetzt ungehindert rein??“
„Keine Sorge.“ Ich hörte förmlich, wie meine Mutter in den Hörer abwinkte. „Vater hat die Tür wieder eingehängt. Er stand genau dahinter, als sie reinflog.“
Hä?
„Wären wir allerdings nicht da gewesen wären, hätte das mit dem gekippten Fenster mächtig in die Hose gehen können ...“
„Du erzählst mir doch hier nicht gerade, dass ihr die Tür immer gekippt lasst, wenn ihr weggeht??“ Meine Eltern wohnen idyllisch: Kleinstadtrand, hintenraus Wiese, Bach und endlos Wald. Genau der richtige Fleck, alles sperrangelweit offen stehen zu lassen. „Seid ihr irre?“
„Nun reg dich mal nicht so auf, dein Vater ist gerade noch mit dem Leben davongekommen! Ich habe ja auch nicht gesagt, dass wir das große Fenster grundsätzlich offen stehenlassen. Aber das kommt schon mal vor. Man vergisst halt mal was.“
„Hallo! Was gibt‘s denn da zu vergessen?? Es gehört dazu, dass man an seine Fenster kontrolliert!“
„Dir passiert so was natürlich nicht!“
Stimmt, hatte sie recht. Mir nicht - für so was hab ich Kinder.
Entsprechend vergnatzt beendeten wir unseren heutigen Informationstransfer per Telefonleitung und verabredeten uns für den nächsten Klatsch zur gewohnten Zeit.
So, jetzt hatte ich ja den ganzen Tag noch nichts Sinnvolles getan. Mit der Arbeit brauchte ich gar nicht erst zu beginnen, war ja schon Nachmittag. Der Wäschekorb blockierte die Treppe zum oberen Stock und so entschied ich, ein wenig Hausarbeit zu betreiben. Ich schulterte den Korb und wie ich forsch mit dem Ellbogen die Tür zum Schlafzimmer aufklinkte, wirbelten mir ein paar Eichenblätter entgegen. Was war denn hier los?
Mit der Hüfte stieß ich gegen die Tür, doch sie schwang nicht wie gewohnt leicht auf - irgendetwas lag drinnen davor. Jetzt reichte es mir aber! Ich stellte den Korb ab, damit ich beide Hände frei hatte. Und dann traf mich fast der Schlag!
Vom Bett und vom Teppichboden war nicht mehr viel zu erkennen!
Alles lag voller Laub!
Alte Herbstblätter, braune Federn von den Lebensbäumen vorm Fenster, spittelige Tannenzapfen und jede Menge Kleindreck von Birken- und Lindensamen. Apropos Fenster! Das stand auf Kipp, verdammte Scheiße!
Das Herbarium hatte meine Wollpullover, die aus Platzgründen auf dem Board statt im Schrank liegen, paniert und zugedeckt. Sie ließen sich nur noch als großer Laubhaufen ausmachen. In meinem Schlafzimmer sah es aus wie beim Modeshooting für die nächste Herbst-/Winterkollektion.
Das konnte einfach nicht wahr sein!
Geschockt trat ich rückwärts in den Flur hinaus und schloss die Tür hinter mir. Draußen lehnte ich mich für einen Moment dagegen, dann schüttelte ich mich und atmete tief ein.
Ich öffnete die Tür wieder: Alles unverändert. Leider!
Das ganze Zimmer glich einem riesengroßen Komposthaufen.
Was macht man da?
Putzt man es – oder sucht man sich eine neue Bleibe?
Unsere Schlafkammer ist klein, theoretisch könnte man sie abschließen und woanders neu anfangen.
Für das Lösen von Problemen ist mein Mann zuständig, also rief ich ihn an.
Bei meinem Mann in der Arbeit herrschte schon helle Aufregung: Ehefrauen informierten gerade ihre diversen Ehemänner telefonisch über Rikes Schäden. „Ach, deine auch!“, vernahm ich im Hintergrund einen Kollegen, als ich eben mit meinem Bericht loslegte.
Mein Mann hörte sich alles ruhig an und als ich mit der Frage endete, was wir nun tun sollten, fragte er mich, ob ich sie noch alle hätte. Nachdem ich das bejahte, mein Mann aber auf meinen Vorschlag mit der neuen Kemenate nicht eingehen wollte, rief ich meine Mutter an. Nicht dass sie bei mir putzt sollte - nein das war nicht der Grund! – aber ich musste ihr ja von meinem gekippten Fenster erzählen, und mich deswegen bei ihr entschuldigen.
Merkt Euch das einfach, Leute: Mütter haben immer Recht!
Autor:Anke Müller aus Mülheim an der Ruhr |
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