Sprachglosse

Zusammenriss

Haben Sie sich schon mal zusammengerissen? Wenn ja, wie oft? Gut, wir sind hier nicht im Beichtstuhl. Aber ich gehe sicher nicht fehl in der Annahme, dass es es sich hier um ein allgemein menschliches Handlungsmuster handelt. Mir gefällt nur das unsinnige Wort nicht.
Weil es wahrscheinlich aus dem militärischen Befehlsgeschrei herstammt, wo man Hacken zusammenreißen soll. Und weniger aus dem Poetischen, wo selten zu lesen ist, dass jemand seinen ganzen Mut zusammengerissen hat. Wenn Amazon da war, reißt man für gewöhnlich was auseinander, aber zusammen?
Militärisch übrigens auch deshalb, weil es da noch ein anderes Zusammen-Wort gibt, dass sich perfekt auf „zusammenreißen“ reimt.
Die etwas sanftere Art der schmerzhaften Gefasstheit heißt: sich zusammennehmen. Meist sind es Situationen, in denen man sich hin-und hergerissen fühlt und weder aus noch ein weiß, wo man sich aber zusammenreißen muss, oder, was für mich als Höchststrafe gilt, dazu harsch aufgefordert wird, weil offene Zerrissenheit auch anderen nicht gut tut.
Wenn ich ich jetzt in eins dieser etymologischen Nachgucksel in - oder offline sehen würde, würden sie mir erklären, dass „reißen“ hier weniger von kaputtmachen, sondern mehr von „raffen“ kommt, einem ruckartigen Nehmen. Na, ja.
Praktisch wäre da aber schon ein ganzkörperlicher Zusammenreißverschluss, den man bei Bedarf einfach hochzieht, und schon hat man sich zusammengerissen.
Von Leuten, die privat oder beruflich höchste Zusammenreißfestigkeit an den Tag legen, hört man, dass sie dazu mentales Training und eine gewisse Atemtechnik verwenden.
Einen darf man dazu wohl nicht fragen: Trump!