Wohin mit dem Spermium?
Es war wieder so weit: Wegen der letzten Regentage war meine Hütte durchgekühlt und es zog mir frisch die Beine herauf. Ab Eisbein bis Kniehöhe wurde mir klar: Ich musste etwas ändern!
Ich hätte die Heizung anschmeißen können - oder etwas backen.
Weil ich aber in den letzten Tagen vom Kinderfernsehen vermehrt das schlechte Gewissen wegen meines CO2-Fußabdruckes eingetrichtert bekommen habe, traute ich mich nicht, Energie zu verschwenden.
Nichtsdestotrotz fror ich - warme Gedanken allein reichte nicht aus.
Da erinnerte ich mich meines letzten Ausflugs zum Mülheimer Bürgeramt. Dort war es schön warm und für Unterhaltung war auch gesorgt.
Ich packte mir also geschwind ein Frühstück zusammen: ein Butterbrot mit Schinken (Verzeihung, aber ich will es mit der nachhaltigen Lebensweise nicht gleich übertreiben!) und ein paar Scheiben Melone. Auch eine Flasche Wasser vergaß ich nicht.
Dann schwang ich mich aufs Rad und sauste in die Stadt.
(Sie sehen, ich mache durchaus ernst!)
Unauffällig drückte ich mich im Bürgeramt am Empfang vorbei und huschte in die Kinderecke. Dort saßen schon zwei Konvertitinnen mit ihren insgesamt vielen Kindern.
Die eine brüllte zur Begrüßung auch gleich los: „Wer von euch Rotzlöffeln hat mir denn hier die angelullte Brezel in die Tasche gesteckt??“
„Das ist die vom Dschäiden.“
„Dich habe ich nicht gefragt, Schantall!“
Weitere Kinder mischten sich ein, ich verlor aber den Überblick, weil die Namen der jüngeren Kinder fremdländisch klangen.
Wo die nun einmal alle vom Essen redeten, verspürte ich plötzlich auch Hunger. Ich packte meine Brotzeit aus und setze mich dazu. In Gesellschaft isst es sich besser.
Das Brot schmeckte, anschließend zog ich meine Vitaminbeilage hervor.
Wie ich die so aus ihrer Klarsichtfolie schälte, guckte mich plötzlich ein einzelnes verirrtes Spermium an!
Erst war ich mal erschrocken!
Ein Melonenspermling!
Wo kam der denn her?
Was wollte der hier?
Aber noch viel wichtiger: Was machte ich jetzt mit ihm?
Ängstlich guckte mich der Kleine an.
„Keine Sorge, ich esse dich nicht ...“, beruhigte ich ihn und steckte ihn vorsichtig in sein Melonenstück zurück. Ich wollte ihm ja nicht versehentlich den Schwanz abbeißen.
Sofort kuschelte er sich unauffällig in eines der Obstlöcher.
Der Appetit war mir allerdings vergangen, ich trug ja jetzt Verantwortung!
Da ich auch nicht mehr fror und relativ ausgewogen gegessen hatte, machte ich mich auf den Heimweg – beim Radfahren kann ich außerdem prima nachdenken.
Schwitzend, weil ich muss fast die ganze Zeit bergauf strampeln, kam ich daheim an.
Jetzt sitze ich hier mit dem Sperma am Laptop und überlege, wie ich ihn weiterzüchten soll.
Pflanze ich ihn raus … oder kaufe ich ihm lieber noch eine Melone?
Können Sie mir da helfen?
Autor:Anke Müller aus Mülheim an der Ruhr |
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