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Wo ich noch gerne mal Akkordeon spielen würde
So mit am Längsten von all meinem Tun, außer vielleicht Essen und Trinken, spiele ich Akkordeon. Früher täglich, heute immer noch ab und zu. Akkordeonspielen ist eine Form der kontrollierten Zungenbeatmung. Die Zungen sind fein säuberlich an einem Stimmstock aufgereiht, mit Klappen und Hebeln durch Tasten zu öffnen und zu schließen, und sie erhalten vom Balg auf Zug oder Druck die Luft, die sie in die nötige Schwingung versetzen. Bei der Musette-Stimmung sind zwei Zungen derselben Frequenz leicht gegeneinander verstimmt – wie die Saiten eines Kneipenklaviers – es entsteht eine Schwebung, die typisch französisch klingt und mich in einen drogenfreien Trance-Zustand versetzt.
Das reicht aber noch nicht ganz. Die Krönung ist der Spielort.
Wenn man am Küchentisch angefangen hat, den Kuckuckswalzer zu üben, entwickelt man eine unstillbare Sehnsucht nach exklusiveren Orten.
Die Frage ist nicht, wie lange, wie gut und warum man Akkordeon spielt, sondern wo. Das ist ganz entscheidend.
Nachdem ich auf der Weltausstellung 1958 schon in einer Kugel des Atomiums Akkordeon gespielt hatte, drängte es mich mein Leben lang, an den ungewöhnlichsten Orte mit meinem geliebten Instrument zu gastieren: in Gefängnissen, vor dem Kölner Dom, auf dem Hochsitz im Wald, auf der chinesischen Mauer, in einem Heißluftballon, im Krankenhaus, beim Bungee-Springen, im Feuerwehrauto, auf dem Gemüsemarkt in Paris, beim Drachenfliegen, an der Tankstelle, im Kühlhaus, auf dem 10 m-Brett im Schwimmbad, auf dem Autobahnmittelstreifen,
im Schweinestall, zum Kannibalen-Liederabend, auf der Achterbahn oder im Zirkus usw.
Einiges davon habe ich tatsächlich ausprobiert.
Nun habe ich wieder diesen Drang, Diesmal möchte ich in einer städtischen Kanalisation Akkordeon spielen. Kritiker würden sagen: Spar dir die Mühe, dein Akkordeonspiel klingt auch so schon unterirdisch genug. Nein, ich stelle mir vor, wie sich der Klang durch die Abwasserkanäle bis hinauf in die einzelnen Toilettenschüsseln verteilt. Ich würde auch extra einen Musettewalzer „Valse de Toilette“ komponieren.
Vielleicht gibt es ja in meinem Stadtteil einen Zugang, durch den ich mich dann bis Stadtmitte vormusizieren könnte. Der Geruch soll weniger auffällig sein als man gemeinhin annimmt, deshalb erwähne ich ihn nicht.
Zurzeit schreibe ich auch andere Städte an. Am bereitwilligsten scheint mir Köln zu sein, da gibt es den unterirdischen „Kronleuchtersaal“. Dort finden ja bereits seit langem Konzerte statt.
Der Raum in der Kanalisation ist dreiseitig und etwa vier Meter hoch. Hier treffen sich drei große Abwasserröhren. Zur Einweihung 1890 wurde der Raum mit zwei Kronleuchtern mit je sechs Kerzen geschmückt, weil der Kaiser Wilhelm II. eingeladen war. Jetzt gibt es noch einen weiß gestrichenen elektrischen Kronleuchter, der eigens für diesen Zweck originalgetreu nachgebaut wurde. (sagt uns jedenfalls Wikipedia)
Mehr davon später.
Autor:Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr |
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