Psychosoziale Gesprächsangebote werden im EKM auch Corona-bedingt erweitert und professionalisiert
„Wie eine Dusche für die Seele“

Ulrike Radix und Thomas Waloschcyk, Seelsorgerin und Pflegemanager im EKM, wissen, wie wichtig gerade in der Coronakrise Gespräche mit an den Grenzen der Belastbarkeit arbeitenden Mitarbeitern sind.
Foto: PR-Foto Köhring/SC
2Bilder
  • Ulrike Radix und Thomas Waloschcyk, Seelsorgerin und Pflegemanager im EKM, wissen, wie wichtig gerade in der Coronakrise Gespräche mit an den Grenzen der Belastbarkeit arbeitenden Mitarbeitern sind.
    Foto: PR-Foto Köhring/SC
  • hochgeladen von Reiner Terhorst

„In belastenden Situationen sind Gespräche oft eine Dusche für die Seele“, sagt Ulrike Radix. Die evangelische Theologin weiß, was sie sagt und wovon sie spricht. Seit langem ist sie verantwortliche Seelsorgerin für die Ategris GmbH, in deren Trägerschaft sich auch das Evangelische Krankenhaus Mülheim (EKM) befindet. 

Bei Ategris, unter deren diakonischem Dach auch das Evangelische Krankenhaus Oberhausen und in Mülheim neben dem EKM auch die Wohnstifte Dichterviertel, Uhlenhorst und Raadt, das Hospiz an der Friedrichstraße sowie verschiedene medizinische Versorgungszentren eine Heimat haben, hatten Seelsorge und psychologische Beratung schon immer einen hohen Stellenwert. Die professionellen Hilfs- und Gesprächsangebote nahmen und nehmen sowohl Bewohner und Patienten, deren Angehörige, aber auch die Mitarbeitenden gerne wahr, so Ulrike Radix im Gespräch mit der Mülheimer Woche. Und das Corona-bedingt mehr denn je.

„Das psychosoziale Angebot war in Not- und Extremsituationen schon immer ein seelischer Rettungsanker zur Verarbeitung von traumatischen Erlebnissen, die oft mit Unfällen, Krankheit und Tod zu tun hatten“, sagt die Theologin, die über ausgeprägte Erfahrungen in der Notfallseelsorge verfügt. Da prallen viele Faktoren aufeinander. Um auch hier in unserer Stadt bestens aufgestellt zu sein, hat Ulrike Radix schon frühzeitig die bundesweit tätige Organisation „SbE – Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen“ ins Boot geholt.

Ängste und Frust
von der Seele reden

Mit deren von der Ludwig Maximilians Universität München zertifizierten Schulungsangeboten wird jetzt hier vor Ort ein eigenes Team aufgebaut, das die Ausbildung im März komplett erfolgreich abgeschlossen haben wird und dann „ans Werk“ geht. Über 20 „Teamer“ stehen dann bereit, Einzel- oder Gruppengespräche mit ihren Kolleginnen und Kollegen zu führen, ihnen damit Gelegenheit zu geben, sich Ängste und Frust von der Seele zu reden und ihnen in der derzeitigen Krise das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu bieten.

Einer, der die Ausbildung mitgemacht hat, ist Thomas Waloschcyk, im EKM verantwortlicher Pflegemanager für die Funktionsbereiche, die Notfallaufnahme oder die Intensivstation. In anderen Häusern war er früher selbst Leitender Intensivpfleger. Auch er berichtet in unserem Gespräch rückblickend von an die eigene Substanz gehenden Situationen, in denen er sich solche professionellen Beratungshilfen gewünscht hätte. Jetzt will und wird er seinen drei Jahrzehnte umfassenden Erfassungsschatz in der Intensivpflege weitergeben. Er möchte betroffenen Mitarbeitenden helfen, das Loch zu überwinden, in das man hineinzufallen drohe.

Solche Gesprächsmöglichkeiten gab es im EKM und den weiteren Ategris-Einrichtungen schon immer, nur jetzt werden sie durch die Corona-Krise halt verstärkt und neu strukturiert. Die Nachfrage ist da, und sie nimmt zu.. Das habe viel mit Mund-zu-Mund-Propaganda zu tun, erläutert Ulrike Radix. So erzählt sie, dass eine Pflegerin nach einem erfolgreichen und motivierenden Gespräch gesagt hat: „Mit geht es jetzt viel besser. Ihr könnt zaubern.“

Corona hält Einzug
in das Privatleben

Ein Fassbinder-Kultfilm trägt den Titel „Angst essen Seele auf“, In der aktuellen Pandemie heißt es bei extrem belasteten Mitarbeitern häufig „Corona essen Seele auf“. Die Sorgen sind vielschichtig. Der Lockdown habe sie noch erweitert. Radix: „Ein junger Assistenzarzt fragte etwa, wie er denn als Single allein in einer neuen Stadt im Fälle einer plötzlichen und durchaus möglichen Quarantäne mit dem täglichen Bedarf versorgt werden könne. Das war das kleinste Problem, denn das ist hier im Haus bestens geregelt.“ Andere berichten von familiären Problemen, die auch mit dem Distanzunterricht in den Schulen, der unsicheren Betreuung der Kinder oder Homeoffice zu tun habe. Corona hält auch, ohne dass man selbst infiziert ist, Einzug ins Privat- und Familienleben.

Durch das erweiterte Gesprächs- und Beratungsteam gibt es ein Krisentelefon, das sieben Tage in der Woche besetzt ist. Ein psychosozialer Jour Fix hilft zudem, die Betroffenen zu entlasten, ihnen Motivation neuen neuen Mut zu geben. „Entspannung tritt nicht von alleine ein, da muss man schon mitwirken“, sagt Thomas Waloschcyk, Ulrike Radix greift das sofort auf: „Wenn ich unter Lärmbelastung leide, höre ich ja als Ausgleich nicht gerade Heavy Metal. Und wenn ich im Beruf vor dem Umfallen stehe, brauche ich keinen zusätzlichen Stress, sondern einen sicheren Halt.“ Und genau dieser könne ein Beratungsgespräch sein.

Das neue, SbE-geschulte Team, blickt solchen Gesprächen gerne entgegen, denn letzten Endes gehe es um Menschen. Auch um diejenigen, die hier arbeiten und durch Corona und die Folgen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gekommen sind. Nur wenn sie wieder gestärkt und an Bord sind, können sie „am Bett arbeiten“ und den kranken Menschen die Betreuung und Fürsorge zukommen lassen, die sie brauchen. Ulrike Radix ist überzeugt, dass „Corona uns ein großes Stück mehr hat zusammenwachsen lassen. Die Krise hat uns gestärkt. Dazu beigetragen hat auch die psychologische und seelsorgerische Beratung hier im Haus. Die Mitarbeiter spüren das.“

Ulrike Radix und Thomas Waloschcyk, Seelsorgerin und Pflegemanager im EKM, wissen, wie wichtig gerade in der Coronakrise Gespräche mit an den Grenzen der Belastbarkeit arbeitenden Mitarbeitern sind.
Foto: PR-Foto Köhring/SC
Im Gespräch mit der Mülheimer Woche berichten Ulrike Radix und Thomas Waloschcyk über ihre Erfahrungen mit der psychosozialen Betreuung auch der Mitarbeitenden. 
Foto: PR-Fotografie Köhring/SC
Autor:

Reiner Terhorst aus Duisburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

39 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.