Erlkönig
Wer reitet so spät... Goethe oder Firla?

Foto: Deutsches Balladenbuch 1858

Erlkönig

Johann Wolfgang von Goethe

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
er hat den Knaben wohl in dem Arm,
er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.

"Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?" –
"Siehst Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig mit Kron und Schweif?" –
"Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif."

"Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;
manch bunte Blumen sind an dem Strand,
meine Mutter hat manch gülden Gewand." –

"Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
was Erlenkönig mir leise verspricht?" –
"Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
in dürren Blättern säuselt der Wind." –

"Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
Meine Töchter sollen dich warten schön;
meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
und wiegen und tanzen und singen dich ein." –

"Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düster'n Ort?" –
"Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau:
es scheinen die alten Weiden so grau." –

"Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt." –
"Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!
Erlkönig hat mir ein Leids getan!" –

Den Vater grauset's, er reitet geschwind,
er hält in den Armen das ächzende Kind;
er erreicht den Hof mit Müh' und Not;
in seinen Armen das Kind war tot.

Dä Mölmsche Erpelskünnich

Mölmsch – Platt - Parodie: Franz Firla

Wän ös do am Rie-e et Naachs em We-ind?
Dat ös dän Vaader met sinnen Ke-ind;
sin Jüngske, dat heet Pien vöar Schmaach,
he mutt noh McDonalds met dat Blaach.

„Min’ Ssohn, wat verstoppse soa bang din Chesseech?“
„Ssühsse dän Erpelskünnich v’leech,
dän Erpelskünnich met Dämmer un Rief?!“
“Nää, dat ös dä Newel, dän do soa drief.”

“Dou leewen Stuppstatt, kumm met me-i,
schöan Erpelstüüch häpp ek föar de-i;
chekock un chebrooe ste-iht aals oppe Deesch,
un dobei wat Chemöös un Fle-isch off Feesch.“ -

„Vaader, Vaader, ek maach nee, wat dän itt,
dou witts do’ Vaader, ek maach bloas pommes frites!”
“Blief räuich, min Jüngske, lott’sche nee stöare,
me kann merr dän We-ind inne Blääer hoäre.“

„Dou Leckschnuute, woosse nee met me-i choon,
ek häpp ouk Riefkooke un Erpelschloot stoon?
Min Deansches kooke all Erpelpüree,
wenn dat nee lecker ös, dann we-it ek et nee.“ -

„Vaader, Vaader, ek maach nee die Pampe
vam Erpelskünnich un sinne Schlampe!“
„Min Jüngske, dou kriss ke-inen Erpelsflatsch,
wattse do dröims, dat ös waal aals Quatsch.”

„Nou äwwer loas, dou verdre-ihdet Blaach
kumm met, un mack dat, watt ek’sche ssaach!“
„Vaader, Vaader, kiek her, wat he klopp
mem Erpelsdämmer op minnen Kopp!“

Dän Vaader ös’t bang, he mack sech Chedanke,
in ssinnen Arm, dat Ke-ind ös am Janke;
he kömp noh McDonalds in chroate Noat,
merr in sinnen Arm dat Ke-ind woar doad.

Anmerkung:

Die traditionelle Mülheimer Küche ist reich an Kartoffelgerichten: Hammeleck (Kartoffelsuppe),
Endivien dure-in (Endivienstreifen in Kartoffelpüree),
Ble-ine Feesch (rohe Bratkartoffelstreifen) usw.
Der Mölmsche Erpelskünnich (Kartoffelkönig) rächt in dieser Balladenversion die Missachtung der kulinarischen Tradition auf derbe mölmsche Art, indem er das McDonalds-hörige Kind mit dem Erpelsdämmer (Kartoffelstampfer) erschlägt. Eine zugegeben grausame Art der Ernährungsberatung. Die Schuld liegt aber eindeutig beim Erziehungsberechtigten, der es versäumt hat, seinen Sohn (mund-)artgerecht zu ernähren.
Ähnlich den Geschichten im Struwwelpeter erhält die Parodie dadurch eine pädagogische Dimension, die man im Goetheschen Original vergeblich sucht.

Franz Firla

Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

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