Meinung
Schief im Schilf

Foto: pixabay.de

Ich möchte jetzt nicht gleich einen Alliterations-Förderverein gründen, aber ich setze mich neuerdings intensiv ein für die Verwendung des Ausdrucks „Schief im Schilf“- Warum?
Wahrscheinlich, weil er so schön vegan und anschaulich wirkt und – das war schließlich ausschlaggebend - viel zu wenig zu lesen ist. Wie wäre es denn mit: „Manchmal hat es den Eindruck, als ob Karl Lauterbauch schief im Schilf steht“. Oder: „Orban steht gern schief im Schilf.“ Gut, der Ausdruck wurde spätestens seit Bollinger (e.k.r.) mit Grasrauchen in Verbindung gebracht. „Yall smoke weed overthere“. Aber in zwei älteren Büchern von Zauner und Felmayer bin ich auch fündig geworden.
„Schief im Schilf“ hebt nicht unbedingt etwas Positives hervor, auch nicht unbedingt etwas Negatives, auch kein Querdenkertum, mehr so eine bewusste oder unbewusste Eigenständigkeit, bei der jene, welche nur bei Wind schief stehen, noch hoffen dürfen, dass es sich gibt - mit der Zeit, aus Bequemlichkeit, oder einfach aus Lust am Mitschunkeln im Wind.
Selbst ein senkrecht im Schilf stehendes Schilfrohr kann, so paradox es klingt, in Bezug auf die übrigen ein schiefes Rohr sein. Und ein einzelnes Rohr wird kaum vom Wind gebeugt, während alle anderen aufrecht bleiben.
Ein Prominenter, den ich zu dem Thema befragte, der aber nicht genannt werden möchte, sagte mir unlängst: „Ach Gott, was habe ich schief gestanden im Schilf, du kannst dir das gar nicht denken, wie oft ich schief stand und all die anderen gerade. Ganz im Anfang hab ich mich geschämt, ehrlich, weil ich merkte, dass das nicht normal ist, aber dann wurde es zur Gewohnheit. Ich wollte nur noch schief im Schilf stehen, ich konnte mir gar nicht mehr vorstellen, anders zu stehn, die einzige wahre Haltung gegenüber der uniformen Meinung, dem Mainstream, wie der bekloppte Ausdruck heißt, den die Mehrheit gut findet, ich hasse das. Ich weiß, die Mehrheit findet Hass nicht gut, da steh ich sozusagen schief im Schilf, auch wenn ich keinen Menschen, sondern nur bestimmte Ausdrücke hasse.“
Denken wir aber bitte auch daran, dass ein schiefes Schilfrohr mitunter auch unverschuldet in seine Schieflage geraten kann, wenn es der Wind geknickt hat und es in absehbarer Zeit die Schilfgemeinschaft verlassen muss.
Blaise Pascal, ein leider schon verstorbener eifriger Gedankensammler, dachte einmal: „Der Mensch ist nur ein Schilfrohr, das schwächste der Natur, aber er ist ein denkendes Schilfrohr“.
Ich bin überzeugt, er hat hier besonders an das Schiefe gedacht.

Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

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