Bukranion ist das Zauberwort
Rinderschädel am Mülheimer Rathaus

Stell dir vor, du entdeckst am Rathaus deiner Stadt über einem Eingang die Halbskulptur eines mit einer Schmuckkordel drapierten Ochsenschädels. Was, bitte, denkst du dann? Verspäteter Alm-Abtrieb? - Aber wir sind noch Ruhrpott. - Ach, gab’s hier früher Rindermissbrauch auf Kohlenhalden?- Mal eben nachgucken geht nicht. Du kennst das Zauberwort nicht: Bukranion! Und selbst damit erreicht man in Mülheim nichts. Da muss man dann weiträumiger vorgehen. Wie ich es, man erinnert sich, in meinem Artikel „Was macht der Ochse am Rathaus?“ beschrieben habe.

Es gibt tatsächlich zu diesem Thema sehr wenig Literatur. Aber gerade das gefällt mir. Da bin ich schnell durch und weiß, was die wenigen, die was wissen, wissen können.

Den Schlussstein meines Bukranion-Wissens habe ich jetzt gefunden: Ein Nachdruck von Walter Altmanns „Architektur und Ornamentik der antiken Sarkophage“ von 1902.
Wer jetzt endgültig überzeugt ist, dass ich mich mit Feuereifer Totenkulten hingebe, der irrt sich. Mir wäre ein anderer Buchtitel auch lieber gewesen. Im Gegensatz zu den Bukranien-Überbleibseln an antiken Bauwerken fand man aber mehr komplett erhaltene Sarkophag-Reliefs.
Rundherum spannen sich dort Girlanden, die an den Ochsenhörnern aufgehängt sind. Prachtexemplar ist der Berliner Caffarelli-Sarkophag. Häufig sind Opfergeräte wie Messer, Kanne und Schale wie am Mülheimer Rathaus auf einer Metope zu sehen. Die Biene war in Griechenland ein Attribut der Götter, auch sie scheint kein Symbol für den Fleiß der Mülheimer zu sein. Oft sind zierleistenartige Umrandungen zu sehen, die nach griechischen Deko-Stilen unterschieden werden. Es stürzt einen leicht in Verwirrung, wenn man von einem „Lesbischen Kyma“ liest. Deshalb auch hier nur am Rande.
Wir haben in Mülheim nur eine quadratische „Bukranion-Metope“ ohne Girlande. Sie geht auf die augusteische (Augustus!) Flach-Form des Stier - oder Ochsenschädels zurück, wo man sogar die Nähte es Schädels abbildete. Jawohl, haben wir. Bei den Griechen, den eigentlichen Bukranion-Erfindern (bu-kranion=Rinder-Schädel), haben wir kaum nackte Schädel. Es sind meist als Ganzes geformte Widderköpfe.
Gut. Jetzt bleiben nur noch drei Fragen und Antworten: Was hat das mit Mülheim zu tun? Nichts. Wie kommt das hier hin? Durch einen Baustil, den man mal Neoklassizismus, mal Historismus nennt und in dem man sich an Vorbildern in der Antike bediente. Kann das weg? Nein! Ist halt Baukunst. Und eine Rarität.
PS. Wenn das Zahnrad für Industrie und Handwerk steht und der Anker für die Schifffahrt, dann könnte die Botschaft des mölmschen Konsolenfrieses heißen, dass diese beiden Mülheimer Wirtschaftszweige unter den Schutz der weisen Götter gestellt sind. Aber man weiß es nicht.

Die meisten Bukranien kann man auf "Arachne" sehen. Stichwort "Bukranienfries"

Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

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