KNÖDEL-ALARM
Oma's Pflaumenknödel
Nach mehr als 70 Jahren Entbehrung überkam mich ein unstillbarer Heißhunger. Ich war schon sieben Mal nachts aufgewacht und hatte den Geschmack ganz intensiv auf der Zunge, den Geschmack von Oma seine böhmischen Pflaumenknödel.
Dringende Abhilfe war vonnöten. Dabei war mir völlig egal, dass ich zum Kochen nicht geboren und mit Hefe gänzlich unerfahren bin.
Gut, ich hatte einmal Omas Ochsenschwanzsuppe rekonstruiert und auch mal eine braune Sauce zum Pfälzer Saumagen entworfen. Aber das blieben zusammen mit den Indischen Bratkartoffeln, die ich mir in einem Restaurant in Andernach abgeschaut hatte, alles drei Ausnahmen.
Mit Freuden stürzten sich meine Hände in Mehl, Milch, Eier und Hefe. Und kneteten und kneteten und kamen nicht mehr aus dem Teig heraus. Jedenfalls wohl kaum noch ohne fremde Hilfe. Die pattexartige Masse zog veritable Schwimmhäute zwischen den mühsam gespreizten Fingern. Ein selbständiges Abstreifen des Teiges - wie im Chefkoch-Rezept in Aussicht gestellt - war kaum mehr zu realisieren, und langsam machte sich bei mir Panik breit. Mit diesen Händen schied auch ein Notruf per Handy aus. Es sei hier deshalb gleich die Warnung ausgesprochen, von Hefeteig die Finger zu lassen, wenn keine zweite Person in der Nähe ist.
Nachdem meine Hände schließlich doch noch knapp dem Hefeteig entkommen und mühsam gereinigt waren, gelang es mir, einen Rest in der Schüssel zu belassen und ihn in Wärme dem empfohlenen einstündigen Aufgehen zu überantworten. Meine Hände hielt ich allerdings vorsichtshalber kühl, wer weiß, ob sie nicht auch angeschwollen wären. Sie waren ja später noch einmal gefordert, die entsteinten Pflaumen zu ummanteln.
Tatsächlich verdreifachte sich die klebrige Knetmasse in einer geruhsamen Stunde und das Verhüllen der Pflaumen gelang zunächst besser als erwartet. Die Gier des Teiges, alle Finger zu einer unzertrennlichen Einheit zu verkleben, hatte doch erkennbar nachgelassen. Dafür weigerte er sich, trotz leidenschaftlichen Rollens zwischen den Handflächen, die Ummantelung nahtlos zu schließen, sodass der blaue Inhalt im kochenden Salzwasser vielerorts herausguckte. Eine gleichmäßig dicke Oberfläche hatte ich ohnehin nicht erwartet.
Was soll ich sagen? Mit ausgelassener Butter, Zucker und Zimt war es noch einigermaßen genießbar. Die Hochachtung vor meiner Oma stieg jedenfalls gewaltig. Und eine Wiederholung ist nicht ganz völlig ausgeschlossen.
Autor:Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr |
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