St. Martin
Mit „Rööflatään“ und „Schnorrbüül“ durch Saarn
Friedel van de Wetering, geb. 1937, vertellt vam Ssiner-Mätes-Ooment.
"Ssinter Mätes Vögelsche"
Zu unserer Zeit, es war die Zeit nach der Währungsreform, fingen die Vorbereitungen schon vor Allerheiligen an, denn es musste der Fackelbau rechtzeitig begonnen werden. Man zog los, um in der "Saarner Aue" ein Runkelrübenfeld auszumachen, ein bis zwei gutgewachsene Rüben zu stibitzen und sie zu reinigen. Oben, wo das Kraut saß, wurde mit Mutters Brotmesser ein deckelartiges Stück abgeschnitten und dann die Rübe ausgehöhlt, damit später darin eine Kerze ihren Platz finden konnte. Anschließend wurden dreieckig Augen, Nase und Mund herausgearbeitet. Am oberen Rand hat man dann vorsichtig gegenüberliegend zwei kleine Löcher eingearbeitet und mit einem Stück Kordel die Aufhängung fertiggestellt. Jetzt ging es auf den Auberg, um sich einen geradegewachsenen Haselnussstock zu schneiden.
Der wurde dann mit Rindenschnitzereien verfeinert und an der dünneren Seite mit einem Nagel versehen, woran später die Kordel mit der Runkellaterne fixiert wurde. Die Kerze fehlte noch, aber es war Allerheiligen gewesen und auf dem katholischen Friedhof waren genug Kerzen. Genau die wollte man sich holen. Leider gefehlt, denn man durfte nur in Begleitung der Eltern die Lichterpracht besichtigen, und am Friedhofstor stand immer ein Polizist. So war die Chance, an eine Grabbeleuchtung zu kommen, ziemlich aussichtslos.
Jetzt standen wir da und waren gezwungen, heimlich auf den Speicher zu schleichen, um die Kerzenstummel aus der letzten Weihnachtsbeleuchtung zu holen.
Wie kam man jetzt auch noch an Zündhölzer? Es wurden viele gebraucht, weil die Kerzen durch den Wind sehr oft ausgingen. Meist wurden sie in der Besenkammer geortet und vielleicht unauffällig entwendet. Es waren mindestens zwei Paketchen. Sämtliche Utensilien wurden dann bis zum Singtag in den bereitliegenden Schnorrbeutel gepackt und irgendwo versteckt.
Die Fackel war sehr bruchanfällig und musste sorgsam behandelt werden. Nach dem Ssinter Mätes wurden die Runkellaternen an das Vieh verfüttert wie schon vorher das Ausgehöhlte. Im nächsten Jahr musste eine neue geschnitzt werden.
Spätnachmittags trafen wir uns mit den gleichaltrigen Kinder aus der Nachbarschaft und zogen mit Fackel und Schnorrbeutel unsere jährlich bekannten Runden. Man wusste schon im Voraus oder von anderen Gruppen, wo es das Meiste zu ersingen gab. Wir wussten auch, wo man uns was in den Schnorrbeutel legte und wo das „Grubbel – Grabbel“ an der Tagesordnung war, bei dem man das Geworfene irgendwie ergattern musste.
Dort, wo wir sangen, wurde nur ein Lied bei den Leuten anerkannt, und das war "Ssinter Mätes Vögelsche", aber in voller Länge! Man hörte sich das Lied an, und erst dann wurden die Geheimnisse in die Schnorrbeutel getan. War Grubbel-Grabbel angesagt, wurde erst die Laterne in Sicherheit gebracht, um die Hände zum Fangen und zum Auflesen frei zu haben, sonst ging man leer aus, oder die Laterne ging dabei zu Bruch.
Was man ersungen hatte, kann erst zu Hause zum Vorschein. Man hatte ja wenig Zeit und musste weiter. Wenn der Schnorrbeutel nicht mehr fasste oder man zu Hause sein musste, wurde auf dem Küchentisch die Sortierung vorgenommen. Dieser Beutel war wie eine Wundertüte: Fallobst (Äpfel, Birnen, Pflaumen, Pfirsiche, überreife Mispeln), Zuckerwaren unverpackt, Gebäck in Bruchstücken, kleine Mett-, Blut- und Leberwürstchen, sogar Möhren und Zwiebeln kamen zum Vorschein. Trotzdem waren wir stolz, das Eingesungene sortieren zu dürfen: das Gute ins Töpfchen ,das Halbgute ins zweite und dritte Töpfchen und das Schlechte in Richtung Mund und Magen. Vom vielen Laufen und Tragen müde, wurde sich noch schnell für das Schlafen geregelt, und es ging ins Bett. Wir unterhielten uns noch kurz mit den Geschwistern und sind dann eingeschlafen und träumten vom Ssinter - Mätes – Abend. Am anderen Morgen freuten wir uns schon, in der Schule Gedankenaustausch mit Gleichgesinnten zu treiben und Erfahrungen für das nächste Jahr zu sammeln.
Tagelang konnten wir nun zu Hause noch von den ersungenen Sachen zehren.
Autor:Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.