Sind Mülheims Schulen bereit für Distanzunterricht?
Leere Klassenzimmer
Bis zum 31. Januar wird den Schülern aller Jahrgangsstufen Distanzunterricht erteilt. Wie steht es in den Mülheimer Schulen mit dem Distanzunterricht?
Peter Hofmann ist bei der Stadt Abteilungsleiter des Fachbereiches Schule und weist darauf hin, dass es schon seit längerem eine entsprechende Verordnung des Landes zum Distanzunterricht gibt, an der die Schulen sich orientieren: „An jeder der 38 Mülheimer Schulen wird das anders aussehen. Unsere Schulen haben verschiedene Erfahrungen gemacht. Auf denen wird aufgebaut.“
Wenn an Schulen und bei den Familien zuhause die technische Ausrüstung fehlt, gibt es Ausstattungsprogramme von Land und Bund für Lehrer sowie für Kinder aus sozial benachteiligten Familien. Die im Sommer bestellten und Ende Oktober in Mülheim eingetroffenen 400 Apple-iPads wurden an die Schulen verteilt: „Ich gehe davon aus, dass sie auch in Betrieb sind.“
Ausschreibung läuft
Die Mülheimer Schulen hatten zur lückenlosen Teilnahme an digitalem Unterricht einen Bedarf von über 5.000 Leih-Geräten angemeldet. Die Lieferung der Tablets für Schüler und Lehrer stehe aber noch aus, so Hofmann: „Die Ausschreibung läuft. Im Januar können wir also noch nicht auf diese Geräte zurückgreifen.“
Die Ausschreibung für Endgeräte inklusive des Zubehörs sowie IT-Inventarisierung und Auslieferung an die Schulen nennt einen Festpreis von 1,75 Millionen Euro netto. Das wirtschaftlichste Angebot wird nach der höchsten angebotenen Stückzahl bestimmt. Der jeweilige Einzelpreis von Gerät plus Zusatzleistungen darf die Summe von 420 Euro netto nicht überschreiten. Die Leistungen sind spätestens bis zum 1. März 2021 zu erbringen.
Pädagogischer Blick
Andreas Illigen ist Leiter der Grundschule am Dümptener Schildberg und zugleich Sprecher aller Mülheimer Schulleiter: „Die Verordnung des Landes ist ein guter Rahmen zu Orientierung. Aber wir müssen schauen, welche technische Voraussetzungen da sind und das Ganze auch pädagogisch sehen.“ Unterricht auf Distanz stehe besonders in den Grundschulen vor Schwierigkeiten: „Viele haben gar kein WLAN. Da wird vieles über Telefon laufen müssen und über Mail. Die technischen Dinge konnten wir mit den Kindern noch gar nicht methodisch einüben. Sechsjährige brauchen auf jeden Fall noch die Hilfe ihrer Eltern.“
Ganz wichtig sei es jetzt, den Eltern nicht die komplette Lehrtätigkeit aufzudrücken: „Wir möchten da keine Druck aufbauen. Die Kinder sollen zwar in einer Lernhaltung bleiben, aber wir wollen nicht überfordern.“ Im Distanzunterricht der Grundschulen zumeist mit der Lern-App „Anton“ und mit Wochenplänen gearbeitet. Die Aufgaben für die Schüler würden entweder zuhause ausgedruckt oder in der Schule abgeholt und müssten dann zu einem fixen Termin dort wieder abgegeben werden: „Eltern haben uns gespiegelt, dass es für ihre Kinder motivierend ist, wenn sie bis zu einem Stichtag fertig werden müssen.“
Anderes Modell gewünscht
Für die Schüler seien aber persönliche Kontakte unerlässlich: „Das ist in Videokonferenzen nicht herzustellen. Eine Rückkoppelung der Kinder ist für uns Lehrer sehr wichtig. Von daher hätten wir uns ein anderes Modell gewünscht, nämlich eine Drittelung der Klassen.“ Die Grundschüler wären alle drei Tage in die Schule gekommen und Abstände deutlich einfacher einzuhalten gewesen.
Die weiterführenden Schulen dagegen würden den Beschluss weitgehend begrüßen: „Weil es für sie organisatorisch besser ist.“ Im Kurssystem der weiterführenden Schulen mit Fachlehrern und wechselnden Räumen sind enge Kontakte kaum zu vermeiden. Er habe da großes Verständnis für die Kollegen, die zurzeit ein Unterrichten auf Distanz vorzögen. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer hatte verkündet, die Lehrkräfte sollten sich auf den Distanzunterricht konzentrieren, eine Doppelbelastung durch Wechsel mit Präsenzunterricht solle vermieden werden.
Digitale Lernplattform
Beim digitalen Unterricht sind weiterführenden Schulen insgesamt schon viel weiter, wenn auch nicht überall. Dort werden die Aufgaben hochgeladen auf entsprechende Plattformen. Intensiv genutzt wird die vom Land NRW angebotene digitale Lernplattform „Logineo“. Leider fehlt bei diesem System die Möglichkeit zur Videokonferenz. Lehrer können mit ihren Schülern im Chat kommunizieren oder greifen kurzentschlossen zum Hörer.
Es wird laufen. Und doch treibt den Pädagogen Illigen eine Sorge um: „Wir dürfen keine Kinder verlieren, wir wollen niemanden abhängen.“ Die in letzter Zeit vermehrt aufgetauchten Rufe nach der Wiederholung eines „verlorenen“ Schuljahres findet Illigen allerdings absurd: „Die Kinder hatten noch nie so viel Deutsch und Mathe wie zuletzt. Sie haben da nichts verpasst. Es wird sicherlich Einzelfälle geben, bei denen sich aber eine Wiederholung der Klasse ohnehin angedeutet hat.“
Rückkehr zu Präsenz
Beim letzten Treffen der Sprecher aller Mülheimer Schulformen mit Verwaltung und Oberbürgermeister Marc Buchholz sei es um eine Entzerrung der Schülerverkehre gegangen. Hier hätten die Kollegen gute Pläne vorgelegt, den Unterrichtsbeginn nach Jahrgangsstufen zu staffeln. Sobald wieder Präsenzunterricht erteilt werde, können diese Lösungen greifen.
Ziel bleibt eine möglichst schnelle Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts und Ministerin Yvonne Gebauer hat sich auch ein entsprechendes Hintertürchen aufgehalten: „Sollte es in den kommenden Wochen zu Lockerungen kommen, dann sind die Schulen von Anfang an dabei.“ Ob das jetzt eine Woche früher oder später sein wird? Schulleiter Andreas Illigen ist da entspannt: „Im letzten Dreivierteljahr ist so viel passiert an Innovationen, an Fortbildungen und neuen Programmen. Wir als Schule sind es gewohnt, dass wir von einem Tag auf den anderen reagieren müssen. Wir haben die Pläne alle parat.“
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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