TV-Bericht über den 7-Tage-Inzidenzwert war irreführend
Keine Manipulation

Foto: Correctiv Faktencheck

Der österreichische Privatsender Servus-TV berichtete, durch die 7-Tage-Inzidenz würden für kleine Gemeinden zu hohe Fallzahlen kommuniziert. Im Netz ist die Rede von einem „Skandal“. Laut Correctiv Faktencheck ist das falsch. Behörden oder Medien würden die Öffentlichkeit über die Fallzahlen nicht "belügen" – es handele sich schlicht um zwei verschiedene Werte.

Der 7-Tage-Inzidenzwert wird derzeit oft in Medienberichten über die Corona-Pandemie erwähnt. Er wird folgendermaßen berechnet: Alle neu registrierten Fälle einer Stadt oder eines Landkreises innerhalb der letzten sieben Tage werden addiert. Diese Summe wird durch die Einwohnerzahl der Region geteilt und dann mit 100.000 multipliziert. So erhält man die Fälle der letzten Woche bezogen auf 100.000 Einwohner.

In dem Fernsehbeitrag von Servus-TV hieß es, durch diese Berechnung würden viele Corona-Fälle „nur auf dem Papier“ existieren. In kleineren Gemeinden mit weniger als 100.000 Einwohnern liege die 7-Tage-Inzidenz höher als die tatsächlichen Fallzahlen. Der Beitrag ging einige Tage später in Sozialen Netzwerken viral und wurde viele hundert Mal aufgegriffen. „Statistik: Wie man Corona-Zahlen ins Riesenhafte hochrechnet“, titelte das rechte Compact-Magazin und schrieb von „fiktiven Fällen“. Auf Facebook war die Rede von „Statistikmanipulation“ und auf Twitter von einem „unfassbaren Corona-Skandal“, den Servus-TV „aufgedeckt“ habe: Angeblich würde der Fernsehbeitrag zeigen, dass die Bevölkerung über die Zahl der positiv Getesteten „schlicht belogen“ werde.

Kontext ausgelassen

Correctiv Faktencheck hat festgestellt, dass der Beitrag von Servus-TV wesentlichen Kontext ausließ und daher irreführend war. Die 7-Tage-Inzidenz ist keine Manipulation der Statistik – der Wert dient der Vergleichbarkeit von Orten mit unterschiedlich hoher Einwohnerzahl. Nur so können einheitliche Grenzwerte festgelegt werden. Gibt es in einer Region innerhalb von sieben Tagen mehr als 35 neue Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner, können dort schärfere Corona-Regeln verhängt werden. Ab einem Wert von 50 pro 100.000 gelten auch andere Regeln für Corona-Tests oder Maskenpflicht.
Die absoluten Fallzahlen für jeden Ort werden aber immer separat ausgewiesen und auch kommuniziert. Für Deutschland sind sie zum Beispiel in den Lageberichten des Robert-Koch-Instituts zu finden, und auch im Online-Dashboard für Österreich werden die absoluten Fallzahlen für jeden Bezirk angezeigt.

Es ist also wichtig, zu verstehen, dass der Inzidenzwert nicht die absoluten Fallzahlen beschreibt. Ein Landkreis mit hoher Einwohnerzahl kann viele Neuinfektionen und trotzdem eine niedrigere 7-Tage-Inzidenz haben. In einem Landkreis mit wenigen Einwohnern dagegen reichen oft schon wenige neue Fälle für eine hohe Inzidenz. Anders ausgedrückt: In einem Ort mit nur 50.000 Einwohnern fallen 100 Neuinfektionen innerhalb einer Woche mehr ins Gewicht als in einer Großstadt mit 500.000 Einwohnern. Auch in Österreich werden die absoluten Fallzahlen für jeden Bezirk angezeigt. Foto: BVDA Durch eine Kooperation mit dem Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter (BVDA), dem rund 200 Verlage mit einer wöchentlichen Auflage von ca. 60 Millionen Zeitungen angehören, erscheint regelmäßig ein Faktencheck des unabhängigen und gemeinnützigen Recherchezentrums Correctiv.

Über Correctiv Faktencheck

>> Die vielfach ausgezeichnete Redaktion deckt systematische Missstände auf und überprüft irreführende Behauptungen. Wie Falschmeldungen unsere Wahrnehmung beeinflussen und wie Sie sich vor gezielten Falschnachrichten schützen können, erfahren Sie unter correctiv.org/faktencheck Fakten für die Demokratie

Autor:

Lokalkompass Mülheim aus Mülheim an der Ruhr

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