Rettungsversuch Nr.2
Ist Mölmsch Platt noch zu retten?

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Ein Zeitdokument

„Wer schaffen will, muss fröhlich sein“ - Theodor(!) Fontane

Hardering: Zum Wiederaufbau des „Mölmschen Krink" (aus dem Mülheimer Jahrbuch 1950)

Im November 1948 hielt ich in der „Gesellschaft für Familien-kunde“ einen .Vortrag, bei dem ich ernste und heitere Gedichte auf „Möllmsch Platt“, aus meinem demnächst erscheinenden Buch „Innich, ssinig, finich“ vortrug. Anschließend an diesen Vortrag wurde der Gedanke geboren, den „Mölmschen Krink“ wieder aufleben zu lassen, damit eine Pflegestätte unserer alten, lieben Heimatsprache bestehe. Diesen Aufbau sollte ich durchführen. Obwohl ich mir zunächst über die Art und Weise der Durchführung noch nicht im klaren war, griff ich diesen Vorschlag freudig auf.
Nach dem schrecklichen Kriege und dem darauffolgenden Zusam-menbruch begann die heimische Kulturarbeit langsam wieder auf-zuleben. Die „Gesellschaft für Familienkunde“ hatte ihre Arbeit bereits wieder erfolgreich begonnen. Der „ Geschichtsverein" und die „Gesellschaft für Natur- und Heimatkunde“ begannen sich zu regen.
Bei vielen Einheimischen wurde die Frage laut: Wo bleibt der „Mölmsche Krink“? Der alte, von dem verstorbenen Rektor Klewer ins Leben gerufene „Krink" war noch vielen „aulen Mölmschen" in so guter Erinnerung, daß sie gerne wieder etwas von ihm gehört hätten.
Die „Arbeitsgemeinschaft der heimatkundlichen Vereine“ bemühte sich des öfteren, mit den noch lebenden Mitgliedern des ehema-ligen „Krink“ in Verbindung zu treten. Leider waren alle Bemüh-ungen vergebens. Es wäre schade gewesen, wäre der „Mölmsche Krink“ wie so manche andere heimische Kulturstätte, dem Kriege zum Opfer geworden. Unter der Devise: „Wer schaffen will, muß fröhlich sein“*, ging ich an die Arbeit. Meine Freude, mit der ich diese schöne vater-städtische Aufgabe durchführte, half mir, in Verbindung mit meinem Optimismus, alle im Wege stehenden Klippen zu über-winden, so daß ich heute allen „Aulen Mölmschen“ melde: „Dän „Mölmsche Krink“ steiht".
Zum besseren Verständnis meines Planes, nach dem ich den Aufbau vollzog, ist es erforderlich, daß ich die Struktur des alten „Krink" mit der des von mir aufgebauten vergleiche.

Mölmsche Kringk:
Die „alte Garde" 1951 im Liebfrauenhof
Von links, hinten beginnend
Rudolf op ten Höfel, Heinr. Heisterkamp, Wilh. Vittinghoff, Heinr. Tiefenbach, Fritz Rühl, Fritz Sauerbrey,
Heinr. Oehler, Wilh. Stevens, Hugo Oehler, Gerh Hardering, Math. Borgards, Chus Klock.

Der alte „Krink“ war weder ein Verein noch eine Gesellschaft im üblichen Sinne. Vielmehr war es die Bezeichnung für eine Veran-staltung, die von der „Gesellschaft Mausefalle" mit Hilfe Außen-stehender aufgezogen wurde. Diese Veranstaltung, in der Vor-
träge auf „Mölmsch Platt“ zu Gehör gebracht und alte, die Tradition Mülheims beleuchtende Theaterstücke aufgeführt wurden, erhielt den Namen „Plattdütsche Möllmsche Krink“.
Meine Pläne gehen noch darüber hinaus: Die heimische Mundart soll nicht nur in einer verhältnismäßig kleinen abgeschlossenen Gruppe gepflegt werden, sondern vielmehr sollen alle heimat-bewußten Mülheimer zur Mitarbeit aufgefordert und in einer großen Gesellschaft, die sich über das gesamte Stadtgebiet erstreckt, vereinigt werden. In allen Ortsteilen soll in Zukuntt eine Gruppe plattsprechender Mülheimer, mit allmonatlichen zwang-losen Zusammenkünften entstehen, wobei nicht nur das Mitglied, sondern ein jeder, der sich für unsere Arbeit interessiert, herz-lichst willkommen ist. An diesen Zusammenkünften der „Krink-omenden", ist unser liebes Platt Pflichtsprache; jedoch werden Fehler, nicht wie es früher üblich war, mit einem Strafgeld belegt, sondern verbessert und richtiggestellt.
Das Ergebnis dieser „Krinkomende", auf denen ein jeder das er-zählt, was er weiß und kann, wird zu schönen und einwandfreien Vorträgen zusammengestellt und in zwangloser Folge in öffent-lichen Veranstaltungen zu Gehör gebracht.
Soll der „Krink" in seiner Aufgabe als Spracherhalter nicht von vornherein zur Erfolglosigkeit verurteilt sein, so ist die Mitarbeit der Jugend unerläßlich. Die reifere Jugend muß zu den „Krink-omenden" hinzugezogen werden. Die Schulkinder müssen bereits durch Schulvorträge mit der Ausdrucksfähigkeit und der Schönheit der heimischen Sprache bekannt gemacht werden. Das „Krink-mitglied" hat die selbstverständliche Aufgabe, in der Familie dafür zu sorgen, daß seinen Kindern dieses kostbare Kulturgut eingeprägt wird.
Eine der Hauptaufgaben der Krinkmitglieder ist es, den Mißbrauch unserer Sprache zu bekämpfen; der viel verbreiteten Ansicht entgegenzutreten, daß Zoten und Gemeinheiten durch den Gebrauch des „Mölmsch Platt" in ihrer Schmutzigkeit gelindert würden.
Ein „Mölmscher Krink", der nach diesen Gesichtspunkten aufgezogen seine Aufgabe ernst nimmt, worin der größte Teil der plattsprechenden Mülheimer zu einer Gemeinde zusammen-geschlossen ist, die ihre Muttersprache hegen und pflegen, in welchem die Jugend wieder von dem Werte unserer uralten Heimatsprache durchdrungen wird und sie wieder als ihre Muttersprache anerkennt, bietet die Gewähr dafür, daß unsere Mundart noch lange Zeit vor dem Aussterben bewahrt bleibt.
Nach schwierigen Vorbereitungen hielt ich zu Beginn des vorigen Jahres in allen Stadtteilen Versammlungen ab, die teils gut, teils schwach besucht waren. Die mir an diesen Abenden zuströmende Heimatliebe verstärkte mein Vorhaben, wenn auch manche Enttäuschungen nicht ausblieben.
Es waren zwei Ansätze notwendig, um am 20. 7. 1949 im Restaurant „Zum Anker", allen Widerständen zum Trotz, den „Mölmschen Krink" aus der Taufe zu heben.
Alle Mitglieder sind sich in den verschiedenen, bisher statt-gefundenen „Krinkomenden" ganz klar darüber geworden, daß ihnen eine große Verpflichtung obliegt: die Umgangssprache unserer Altvorderen durch zielbewußtes Arbeiten vor einem allzufrühen Aussterben zu bewahren.
Als Leiter des „Mölmschen Krink" sind tätig:
Baas (Vorsitzender) Gerhard Hardering, Bruchstraße 85,
Schriewer (Schriftführer) Peter Oberheidt, Heißener Str. 102,
Cheildverwahrer (Kassierer) Heinrich Heisterkamp, Klöttschen 45.
„Mölm bowenaan"!

Nach Sauerbrey ist nicht Hardering der „Erfinder“ des neuen Mölmschen Krink, sondern Dörnhaus:

Aus der Festschrift zum „Goldjubiläum“ des Kringk im Jahr 1980:

„Wilhelm Dörnhaus, Ehrenbaas der Bürgergesellschaft „Mausefalle“ und des Mölmschen Kringk, rief alle Heimatkundler Ende 1948 zusammen und forderte sie auf, nicht nur am Wiederaufbau unserer Vaterstadt mitzuwirken, sondern darüber hinaus das Brauchtum zu bewahren und die Mundart zu erhalten. …Für die Freunde der Mundart war damit wieder einmal der Tag gekommen, der sie zusammenführte. Sie beschlossen, die vom Plattdütschen Kringk unter Wilhelm Klewer begonnene Arbeit fortzusetzen und gründeten am 20. Juli in der Gaststätte „Zum Anker“ in der Charlottenstraße den „Mölmschen Kringk“.

Eher beiläufig wird dann auch noch „Gerhard Hardering“ als erster Baas und Buchautor erwähnt.

*Gedicht von Fontane.

Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

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