Ausgesperrt
Huhn was nun?
Ein einzelnes Huhn läuft aufgeregt am Zaun entlang. Sucht es einen Ausgang, ein Schlupfloch, um endlich in Freiheit picken zu können? Zum Beispiel diesen fetten Wurm, der sich vermutlich nur zwanzig Zentimeter hinter dem Zaun räkelt? Sein hilfloses Gackern erweckt das Mitleid jedes freiheitsliebenden Wesens. So auch das eines Wanderers, der an dem Bauernhof vorbeikommt. Doch schnell muss der entdecken: das Huhn will gar nicht raus, es will rein! Da hinein nämlich, wo alle anderen picken. So sind Hühner nun mal.
Die unverhoffte Freiheit jenseits des Zauns ist ihm plötzlich gar nicht mehr so erstrebenswert, es ist allein, und die anderen scharren und scheren sich einen Deut um sein Einzelschicksal.
Irgendwie muss dieses verlorene Huhn aber durch den gar nicht mal so niedrigen Maschendraht gelangt sein. Ein Loch war jedoch auch seitens des Wanderers nicht auszumachen. Nicht im Boden, nicht im Zaun.
So fühlt sich einer, denkt der Wanderer sich jetzt in das erregte Huhn hinein, dem die Haustür zugeschlagen ist, weil er mal eben was draußen picken wollte und der nun unschlüsselig hin- und herläuft. Bedauerlicherweise ist der Schlüsseldienst für Geflügel noch sehr under construction und der Bauer augenscheinlich nicht zu Hause. Sollte der Wanderer das Ausgesperrte einfangen und beherzt hinüberwerfen?
Einmischen in die Hühner-Community möchte er sich aber auf gar keinen Fall. Vielleicht hat dieses Huhn sich schuldig gemacht und wurde auf Vorschlag des Hahns kollektiv aufgefordert, zeitnah die Flatter zu machen? Möglicherweise ist für Hühner das, was wir Freiheit nennen, der Knast, und es verbüßt gerade eine hühnergerechte Haftstrafe?
Nein, da fehlte es dem Wanderer an geflügelter Kompetenz, und er machte lieber seinem Namen wieder alle Ehre.
Autor:Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr |
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