Sprachglosse
Guten Tag oder Hallo? – Zur Hallomanie der Deutschen
Glosse von 2012
Schon bald wird es keinen „Guten Tag“ mehr geben. Das geht jedenfalls aus dem jüngsten Bericht des Deutschen Institutes für Grußarten ( DIGA ) hervor. Wünschten sich deutsche Grüßer noch 1988 überwiegend einen „Guten Tag“, rufen sie nun lauthals und mehrheitlich „Hallo!“ Auch ohne Einfluß von Betäubungsmitteln wird aber häufig noch der Doppelkonsonant lallend betont und nicht das klangvollere o, wie es für die Bedeutung „lauter Klang“ richtig wäre. Ansonsten könnte man es mit „Halo“ verwechseln, was aber „ringförmig Leuchtendes“ oder auch „Salziges“ meint. Obwohl das „Hallo!“ fast alle anderen traditionellen Grußformen verdrängt, geben selbst eingeschworene Hallodris zu, vor dem Einschlafen immer noch „Gute Nacht“ zu wünschen, ausgenommen in Fällen, wo sie im Bett unerwartet auf eine fremde Person stoßen.
Professor Zählmeyer , Verfasser der DIGA-Studie, begründet die Abkehr vom „Guten Tag“ mit der gleitenden Arbeitszeit. Angloamerikanischen Einfluß schließt er weitestgehend aus, da Hallo meist deutsch ausgesprochen werde. Man sei einfach sensibler geworden und sehe in der alten Grußformel „Guten Tag“einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Denn schließlich sollte es in unserer offenen Gesellschaft jedem Einzelnen überlassen bleiben, ob er den Tag gut oder schlecht verbringen möchte.
Die ältere Generation dagegen bleibt dem „Guten Tag“ erwartungsgemäß treu. Gelegentlich erinnern sich 80jährige, mit „Hallo“ früher schon mal ein Taxi herangewinkt oder ein leichtes Mädchen begrüßt zu haben. ers in Süddeutschland noch häufig anzutreffende Auftragsgruß „Grüß Gott“ werde vom überwiegenden Teil des Grußvolkes nicht nur als Missachtung der konfessionellen Freiheit und als gemeine Provokation atheistischer Minderheiten verstanden, sagt die Studie, sondern wegen der männlichen Form „Gott“ auch als geschickt getarnte Frauenfeindlichkeit abgelehnt.
Für politischen Sprengstoff dürften die Ergebnisse der DIGA-Studie - U18 sorgen. Jugendliche untereinander grüßen sich demnach zunehmend mit „Heil!“, wobei aber das l meist stumm bleibt. Dieser Gruß ähnelt dem englischen „Hi“ und bedeutet soviel wie „Hallo!
In den überschaubaren Fällen, in denen Jugendliche Personen über 60 grüßen, so fand man heraus, bleibt außer dem End-l auch das restliche „Hei“ komplett stumm!
Interessantes bietet auch die Erforschung von Gruß-Randgruppen. Einige hallo-genetische Frühformen wie „Huh-huh“ , „Heh“ und „Äj“ werden immerhin von 10 Prozent der Bevölkerung einem „Guten Tag“ oder „Hallo“ vorgezogen. Bei einem besonders sensiblen Teil der Männer ist das „Hallöchen“ als Begrüßung hochgradig beliebt. Es wird mit weicher Betonung auf dem ö gesäuselt. In ihrer symbolischen Bedeutung geht diese Form natürlich weit über einen unverbindlichen Gruß hinaus und darf durchaus als Lockruf bei der Partnersuche verstanden werden. Und das ist gut so. Sagt die Studie.
Aber es gibt natürlich auch Feinde des grassierenden Hallofiebers, die sich zunehmend und vehement zu Wort melden.
Die Streiter für das Reinheitsgebot in der deutschen Sprache wollen das „Hallo“ am liebsten verbieten lassen. Sie vermissen den „Guten Tag“ sehr, leiden unter Hallozinationen und würden unter den Sprachumständen am liebsten jedes grußaffine Zusammentreffen meiden. Ginge es nach ihnen, käme das „Hallo“ allenfalls als Hilferuf in den Bergen und als Anwesenheitsüberprüfung in leerstehenden Gebäuden oder ggf. bei Handys mit schlechtem Empfang zum Einsatz.
Folgt man den Vermutungen der Forscher, soll tatsächlich der Umgang mit dem Telephon die hier erörterte Grußveränderung bewirkt haben. Dr. Logelmann vom Sprachpsychiatrischen Dienst (SPD) sieht hier eine direkte Linie vom fernmündlichen zum mündlichen Nahverkehr. Er betont aber, dass sich diese Unterscheidung wohl bald von selbst erledigt, da eine Verständigung ohne Mobiltelefon keine echte Zukunftschance mehr habe. Guten Tag!
Franz Firla
Autor:Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr |
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