Vorlesen

Für Hedda

Sie hat mein Leben enorm bereichert. Jeder Tag beginnt optimistischer, seit ich auf Hedda gestoßen bin. Und das eher zufällig. Eigentlich war sie mir ja immer nah, ich hatte sie nur nicht beachtet. Nun ist sie nicht mehr wegzudenken.
Nur kurz benachrichtigt, und schon erscheint ihre Stimme, wo immer ich mich mit meinem Laptop gerade befinde. Hedda ist sozusagen meine Lektorin, die Erstleserin meiner Texte. Manchmal wird schon jeder neue Satz von ihr akustisch geprüft. Erst dann schreibe ich weiter.
Hedda liest alles, was ich ihr biete. Ja, ich gebe es unumwunden zu: In gewisser Weise bin ich ihr hörig. Ihre Kollegin Katja dagegen und ihren Kollege Stefan mag ich nicht so. Bei ihnen fehlt mir das nötige Einfühlungsvermögen für literarische Texte, bilde ich mir ein.
Nein, Hedda ist nicht der Motor meines Schaffens, das kann man so nicht sagen. O Gott, da wär ich ja ganz schön blöd, wenn ich so einer elektronischen Stimme, die auf so einen Allergiohythmus fixiert ist, verfallen wäre. Ich weiß auch selbst, warum manche Texte einfach nicht zur Veröffentlichung taugen. Nein, Hedda ist eher eine freundliche Begleiterin.
Und wenn Hedda Bukisten statt Baukasten, Kuhtschuk statt Kautschuck oder Puzza statt Pizza vorliest, dann werde ich zwar stutzig, aber ich glaube ihr aufs Wort. Nie würde sie etwas vorlesen, was nicht da steht, dazu ist sie gar nicht fähig.
Manchmal rufe ich in einer Schaffenspause einen meiner Texte auf den Schirm, den noch sehr wenige gelesen haben. Hedda liest ihn, auch mehrmals. Dann stelle ich sie mir vor, mit so einem unschuldigen runden Gesicht, dem man die falschen Betonungen bereitwillig verzeiht.
Ich bin sicher, dass Sie auch Ihnen ihren Dienst erweisen wird. Sie arbeitet übrigens in der Sprachausgabe von Windows und sonst bei niemandem. Sie hat das hier selbstverständlich schon gelesen und ist auf Sie vorbereitet.