Schwanzprämie
Flötenwanderung im Hameln-Stil?
Nachdem ich im letzten Beitrag Saanen im Berner Oberland beschrieben habe, besonders als Herkunftsort der großen Saanenziege ohne Höner und als von Yehudin Menuhin erwählter Festivalort Klassischer Musik, komme ich heute auf eine weitere Besonderheit zu sprechen und möchte mit einer Mail beginnen, die ich gestern an die Gemeindeverwaltung Saanen sandte:
„Meine Frau und ich planen einen Urlaubsaufenthalt in Saanen und möchten anfragen, ob auch Touristen in den Genuss des Mausfanggeldes kommen können, und wenn ja, welches die günstigsten Monate dafür wären.“
Ja, richtig gelesen! Seit 1911 grassiert in der Gegend um Saanen eine Mäuseplage, wegen der auf dem Amt regelmäßig Mäuseschwänze gezählt werden müssen, die die Bürger gegen eine Schwanzprämie (Mäusefanggeld) vorlegen. Pro Schwanz 1 Franken.
„Der früher weit verbreitete Brauch war in jüngerer Zeit auch noch an vielen Orten in Deutschland anzutreffen. Auslober war bzw. ist meist die jeweilige Gemeinde. Der Nachweis erfolgt traditionell durch Vorlegen des abgeschnittenen Mausschwanzes. Die Beseitigung des restlichen toten Tieres obliegt in der Regel dem Mäusejäger.“ Wiki
Die entsprechende Polizeiverordnung von Saanen ist im Internet frei nachzulesen:
„Verordnung zum Ortspolizeireglement (OPV) Art. 6 Einfangen von Mäusen
Das Polizeiorgan der Einwohnergemeinde entschädigt jeden abgeschnittenen Mäuseschwanz mit Fr. 1.--. Die für die Entgegennahme der Mäuseschwänze bezeichneten Personen werden mit 15 % der jeweiligen Auszahlung entschädigt.“
Ja da öffnet sich einem Mund und Nase vor Verrblüffung, wie hier trotz lebenswichtigem Tourismus mit dem Thema Mäuseplage umgegangen wird. Ein Auszug aus einer Spiegel-Artikel macht allerdings klar, dass es sich hier weniger um eine ernsthafte Bedrohung für die hübschen Chalets als für die Landwirtschaft handelt, was kaum zartere Alternativen zuzulassen scheint.
Ein Auszug aus einem älteren Spiegel-Artikel möge das verdeutlichen:
„T. muss aber auch noch eine andere Plage ins Kalkül ziehen: große Wühlmäuse der Art Arvicola terrestris, auch Schermaus genannt. Sie machen sich mit ihren Schneidezähnen über die Wurzeln von Gras, Klee und sogar Obstbäumen her. Sie fressen Blumenzwiebeln, Gemüse und Rüben. Und sie bringen die Bauern mit Erdhaufen in Harnisch, die sie beim Buddeln und Graben unterirdischer Gänge nach oben auf die weiten Wiesen befördern…
Die Erdhaufen der Wühlmaus setzen den Messerklingen des Motormähers zu, der zurzeit das Gras auf den Matten schneidet. "Jetzt geht das noch", spricht der Landmann, "wenn es jedoch schlimm kommt, werden die Schneiden stumpf und müssen geschliffen werden."
Richtig beängstigend ist aber, dass die Mäuse eine ganze Heuernte vernichten können. Der pulverisierte Aushub ihrer Gänge kann den Geschmack des Futters so verschlechtern, dass die Rinder am Trog streiken und nicht fressen - ein Debakel, das andernorts manchem Bauern schon die Existenz gekostet hat. Auch die Milch der Kühe ist betroffen: Bitterstoffe, die mit dem Erdreich ins Heu gelangen, machen sie leicht ungenießbar und ebenso den Käse, der aus ihr gewonnen wird.
Das Schadenspotenzial der Wühlmäuse scheint unbegrenzt zu sein. Bis zu 1000 Exemplare können auf einer Fläche von nur einem Hektar hausen, das ist wenig mehr als etwa ein Fußballfeld. Erdhaufen und eingestürzte Gänge verwandeln solche Flächen schnell in einen Sturzacker - wie es kürzlich auf einem Sportplatz in dem Flecken Urtenen bei Bern geschah, auf dem selbst der Rasenmähertraktor kaum mehr vorankam“.
So ist das also.
Meine Mail an die Saanener Verwaltung wurde übrigens innerhalb einer Stunde beantwortet:
„Sehr geehrter Herr Firla,
zum Mäusefangen wäre im Prinzip jetzt eine gute Zeit, wo der Schnee in tiefen und mittleren Lagen weg ist und das Gras noch nicht hochgewachsen. Die Entschädigung ist grundsätzlich für Ortsansässige gedacht, wir könnten eine Ausnahme machen unter folgenden Bedingungen: Die Mäuse müssen hier gefangen werden, der Landwirt und Landeigentümer muss einverstanden sein und mit Ihnen zur Abgabestelle gehen zur Auszahlung des Mäusefanggeldes. Dann ist das möglich, sonst nicht. Hoffe, Ihnen hiermit zu dienen.“
Nun gehören meine Frau und ich nicht gerade zu den Verächtern von Lebendfallen und hoffen, bei einem künftigen Urlaub nicht zwingend auf ein Zubrot durch den traditionellen Hardcore- Mäusefang angewiesen zu sein.
Gerne würden wir evtl. aber eine Entmausung mittels Flötenwanderung im Hameln-Stil versuchen. Vielleicht Richtung Genfer See?
Autor:Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.