Appetit
Erbsensuppe im Spiegel

Ich löffle gerade meine selbsterhitzte Erbsensuppe am Küchentisch, da tritt mein japanischer Schwiegersohn mit etwas großem Eckigem ein und sagt: „義父“(Gifu), was sich bei ihm anhört wie „Giffe“, du bist beim Essen zu oft allein!“ Und er stellt einen großen Spiegel vor mich und meine Suppe auf den Tisch, damit ich fortan nicht mehr allein sei und mir die Dosensuppe besser schmecken möge, denn in Gesellschaft hat der Mensch mehr Appetit. Es schmeckt ihm einfach besser.
Eigentlich ein gute Idee, und mit mehreren Spiegeln appetitmäßig sicher noch ausbaufähig.
Ich machte dabei aber leider eine ganz andere Erfahrung.
Ich habe in meinem Leben schon viel und oft gegessen, allein und mit anderen, aber ich habe noch nie gesehen wie ich kaue. Entsetzlich! Bewegungen zwischen nervöser Nussknacker, Häckselmaschine und Schredder.
Überhaupt viel zu schnelles Mahlwerk. Deshalb wahrscheinlich auch meine Verdauungsprobleme. Und die zu häufige Öffnung des Mundes, mit schrecklichen Schmatzgeräuschen einhergehend, gefällt mir gar nicht, einfach unästhetisch! Ein kontraproduktiver Appetitzügler sogar für den gespiegelten einsamen Esser.
Immerhin bietet dieser Spiegel des Schwiegersohns korrigierende Trainingsmöglichkeiten mit dem Ziel einer Wiedereingliederung in appetitförderndes geselliges Speisen.

Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

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