Vegan
Die Vermöhrung der Wurst

Foto: Originalfoto: dpa, Oliver Berg

Als phänotypische Erscheinung unserer Zeit gilt die unaufhaltsam voranschreitende Vermöhrung der Wurst. Die Symbolik dieses Bildes umfasst eben nicht nur die Umstellung vom Fleisch zum Gemüse, nein, auch die am Horizont erscheinende evolutionäre Umwandlung der natürlicher zur künstlichen Nahrung sowie die komplette Umstellung vom Analogen zum Digitalen sind da bereits mit angedacht. Im Vermöhren klingt darüber hinaus noch das Vermehren an, auf das es bei stetigem Bevölkerungsanstieg zwingend ankommt.
Ja, es geht ohne Übertreibung gesagt um die Wurst im doppeltem Sinne, und zwar gegenwärtig schon um deren zeitnahe Vermöhrung in kleinen Schritten, was zunächst Form und Geschmack angeht. Die wurstige Zweiendigkeit ist dabei der Möhre eher fremd. Wurstseitig gesehen, wird dieses Kennzeichen vielleicht das Einzige sein, was das Fortleben der Wurst noch eine Weile garantiert.
Es ist abzusehen, dass die vermöhrte Wurst das Schicksal der vererbsten, der knorrigen Erbswurst, ereilen wird, sobald niemand mehr eine Wurstform vermissen wird. Die Produktion der weißen Erbswurst, bis 2018 als „Knorr Erbswurst mit Speck“ in den Varianten gelb und grün angeboten, wurde zum 31. Dezember 2018 wegen zu geringer Nachfrage sang- und klanglos eingestellt.
Wohingegen der transparenten Grünkohlwurst als Eintopfwurst wohl noch eine gewisse Zukunft prognostiziert werden darf. Hier wird optisch klar kommuniziert, dass die Wursthülle nur als geschmacksfreies Transportmittel dient.
Ja, wir leben halt in einer Zeit der schrittweisen Vermöhrung der Wurst, manche halten es auch für die wunderbare Wurstvermöhrung, während wieder andere als Vermöhrungstheoretiker besonders die Non-Foodbereiche betroffen sehen. Aber man ist ja, von militanten Möhrenverweigerern einmal abgesehen, nicht dumm und weiß, dass es mit dem Fleischkonsum so nicht weitergehen kann. Und ja, man kann es trotzdem mit einer gewissen Wurstigkeit ins Lächerliche ziehen, wie ich selbst das gerne wegen des entspannenden Lachens tue. Aber selbst ich frage mich, wenn ich abends vom Lachen ermattet einschlafe: Bitte, wo sind denn die ernsthaften Alternativen zur Vermöhrung? Mit Nostalgie und Pochen auf’s Althergebrachte und dem sog. gesunden Menschenverstand kommen wir nicht mehr weiter.
Und ich sag mal: Lieber Wurstvermöhrung als Erdzerstörung! Aber auch: Finger weg vom Brot!

Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

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