Die Heißener Schneppenbeck-Schule in der Kaiserzeit - Hochdeutsche Übertragung
Ut der Schualtied (Emilie Jansen) - Aus der Schulzeit (Übertragung: Franz Firla)
Die Heißener Schneppenbeck-Schule in der Kaiserzeit
(Unterhaltung zweier Ehemaliger anlässlich des Schuljubiläums 1928)
Wer denkt nicht gern an die Kinderzeit als wir noch in die Schule gingen. Aber die Jahre liegen weit zurück, aber vergessen sind sie darum doch nicht; und kommt man dann zufällig mit alten Schulkameraden zusammen, spricht man von dem ein oder anderen aus der Schulzeit.
„Weißt du das noch?“ „Ach, gewiss doch, da kann ich mich recht gut dran erinnern, geradeso als wäre es gestern gewesen.“ Ja, so ist es. Für eine kurze Zeit geht man noch einmal wieder zurück ins Kinderland, man sieht sich als Kind unter Kindern, sieht die Eltern, die Lehrer, die damals an der Schule waren und vergisst darüber, dass man nun schon einen grauen Kopf hat, und der Nachwuchs Oma und Opa zu einem sagt.
Letztens saßen alte Schneppenbecker Schüler irgendwo zusammen und sprachen vom Schulfest, da kramten sie auch Schulerinnerungen aus und erzählten einem Jüngeren von früher. „Sag mal, weißt du noch, wie der Lehrer immer wütend wurde, wenn wir die Beine nicht stillhalten konnten und immer mit den Klumpen Radau machten?“
„Ja, gewiss!“ Bumms! „Wer war das?“ fragte der Lehrer. „Stelle dich einmal!“ Nie lang. Dann klapperte wieder ein Holzschuh. „Stehe auf, wer das war!“ „Oder ein andermal mussten wir die Klumpen in die Luft halten, das war dann ein schönes Bildchen, so fünf sechs Kinder, die die Klumpen in die Luft hielten.“ „Ja, heutzutage sieht man keine Schulkinder mehr auf Klumpen, die Zeit hat sich geändert.“
„Ach, da fällt mir noch ein netter Spaß ein, wo wir gerade von den Klumpen reden. Erinnerst du dich noch an den Winter, wo sechs Wochen lang der Schnee lag, was haben (wir) da stapfen müssen. Ich meine, ich sehe noch das Klumpenregiment, das um den Ofen stand; wir nahmen uns von zu Hause Schuhe mit, die wir in der Schule anzogen, damit wir warme Beine bekamen.“ „Ja, das stimmt.“ „Die Mädchen hatten Stricken bei der Strickfrau und wir Raumlehre. Frau Hormann, die damals Strickfrau an der Schule war, kam, glaub ich, die paar Schritte vom Haus zur Schule auch auf Klumpen durch den Schnee. Die Mädchen mußten mit ihrem Nählappen zu ihr kommen und vorzeigen, das Laufen regte den Lehrer gewiss schon auf, es ging ja nie ohne Poltern ab, und wir Jungen nahmen es auch nie so genau, wenn wir aufstehen mussten, es war an dem Mittag öfter gebummst worden und der Lehrer recht knurrig. Da klappert wieder ein Klumpen. „Wer war das?“ ruft der Lehrer. Die Strickfrau dreht sich um und sieht den Lehrer, der schon mit dem Stock kommt, an und sagt. „Das war ich“, da blieb die Strafe aus, die Strickfrau war nämlich seine Schwiegermutter.“
„Weißt du denn auch noch, wie die alte Trautchen Bruckhoff mal in die Schule kam?“ „Nein, weiß ich nicht mehr, was wollte die denn?“ „Ich glaube, wir hatten gerade Rechnen, und dann hieß es aufpassen. Auf einmal geht die Tür auf und Trautchen kommt herein, das Anklopfen hatte sie ganz vergessen: „Herr Simon, (weißt du, damals wusste man noch nichts von Herr Rektor, da wären die Alten nie mit fertig geworden, besonders die Nachbarn nicht) Herr Simon,“ sagt die Alte, „unser Wilhelminchen hat meine Klumpen an, ich kann auf denen hier nicht laufen, lassen Sie uns doch mal eben tauschen.“ Der Lehrer sagt zu Minchen: „Wenn dem so ist, so gib deiner Mutter die Holzschuhe wieder.“ Als der Tausch getan war, sagt Trautchen: „So, da kann ich besser mit vorankommen“ und läuft heraus.
„Es waren aber auch schwarze Schafe dazwischen, die es drauf anlegten , den Lehrer zu ärgern, damit will ich nicht sagen, dass wir immer brave Jungs gewesen sind. Erinnerst du dich noch, als wir so eine schwere Rechenaufgabe hatten, ich glaube, es war Wurzelziehen, jedenfalls hatten wir in der Schule nie aufgepasst, und was wir zu Hause machen sollten, das konnten wir nicht und deshalb wurden keine Hausaufgaben gemacht. Mutter sagten wir, wir hätten nichts aufgekriegt. Aber was war am nächsten Tag in der Schule? August Klewer wusste Rat. Als es hieß, Tafel raus! Anfassen! Hochheben! Hinlegen!“ „Ja, ja, richtig, ich erinnere mich, wir sollten keinen Krach dabei machen.“
Genau, als da der Lehrer kontrollieren kam, ruft August: „Eine Maus, Herr Lehrer hier läuft eine Maus!“ und im Nu guckten all unter die Bänke und liefen einer Maus nach, die gar nicht da war. „Kinder, sucht sie“, sagt der Lehrer, aber sie wurde nie gefunden, auch nicht das Mauseloch, aber der Streich war uns geglückt. Wir waren noch bei der Mäusejagd, als es zur Pause schellte, und als wir wieder hereinkamen, waren Aufgaben und Maus vergessen.“ „Ja, für diesmal glückte es, wäre der Lehrer aber dahinter gekommen, hätte es Schläge gegeben „Bück dich bis auf die Klumpen“ und dann kriegtest du ein paar hinter vor.“
Wenn man sich das so betrachtet, als wir noch in der großen Schule waren, verglichen mit heute.- Was gehen die Kinder heute viel spazieren. Gehen an einem Sommertag mitten in der Woche zum Kahlenberg oder in den Witthausbusch. Jeden Tag kannst du da Schulklassen treffen und die Kinder singen hören. „Ja wir sind ja auch mit der Schule herausgegangen. Einmal weiß ich, zum Schloss Borbeck. Da haben wir draußen auf Bänken gesessen und ein Glas Limonade bekommen, wir mussten aber auch nur ein paar Pfennige mitbringen. Mit dem Zug weg wie es nun gemacht wird, einen ganzen Tag fort, das kannte man damals nicht.“ „Kennst du denn das Sprüchlein noch, das wir immer auf die Tafel schrieben?“ Der Himmel ist blau, das Wetter ist schön, wir bitten den lieben Lehrer, mit uns spazieren zu gehen.“ Kam der Lehrer dann mittags in die Schule und sah den Vers an der Tafel, nahm er den dicken Schwamm und wischte alles weg; aber einmal im Jahr kamen wir doch fort.“ -
Sedanfest, 2.September 1871, Sieg über Frankreich bei Sedan, Nationalfeiertag bis 1918 .
„Da war es auf dem Sedanfest schöner, das war immer ein richtiges Kinderfest, Junge, was haben wir da immer die Schule geschmückt! Da wurde im Wald Ilex* geholt und davon Ketten mit bunten Papierbüscheln dazwischen gemacht. Grüne Kränze aus Eichenlaub hingen zwischen bunten gekräuselten Papierkränzen, die ganze Gardinenstange voll. Mit dem Aufpassen war es an dem Tag, wo geschmückt wurde, nicht weit her. Nach vier Uhr ging das los; einer von den Lehrern half uns. In der Mitte unter der Decke eine schöne bunte Krone, die Kränze an die Wände und von den Ecken aus die Ketten. Die große Schule war immer die feinste. Am nächsten Tag kamen wir dann alle im Sonntagsstaat zur Schule und da wurden dann kleine Kinder, die noch nicht zur Schule gingen mitgenommen, aber das sah der Lehrer nicht gern, die blieben nie still sitzen. Dann wurde gesungen, der Lehrer erzählte uns was, Gedichte wurden aufgesagt und nach einer guten Stunde zogen wir heim. Von der Rosendelle knallten die Böller und wir freuten uns auf den Mittag. Um 2 Uhr mussten wir wieder im Sonntagsstaat da sein, nun ging es los, auf dem Schulhof wurden wir aufgestellt und mit Fahne, Trommel und Flöten voraus zogen wir dann oben herum an Zobel vorbei über den Hügel zu Nies in den Saal. Da waren schon lange Tische bereitgestellt, wir kriegten Koufen (Kaffee??) und Rosinenbrötchen, die Eltern waren mit den kleinen Kindern auch da. Unser Lehrer hielt eine Rede, ein paar Gedichte wurden noch aufgesagt und dann gab es eine Verlosung. Die Steiger von der Rosendelle und Verwalter Spieß hatten für Geschenke gesorgt; aus dem Hut nahmen wir ein Los und dafür kriegten wir alle etwas davon.“ „Ich entsinne mich aber auch, dass wir in einem Jahr eine blecherne Butterbrotdose mit einer Nummer drauf gekriegt haben, dass nicht immer soviel Papier auf dem Schulhof liegen sollte.“ „Das stimmt, mit meiner spielen meine Kinder noch; und dann ging es zum Zechenplatz. Da stand eine Stange vor uns, wer am besten klettern konnte, durfte sich von da oben noch eine Kleinigkeit herunterholen. Da wurde die Jacke weggeworfen, in die Hände gespuckt und dann rauf.“ „Ja, und Brezelschlagen mit verbundenen Augen, wer am besten traf, der kriegte das größte Stück.“ „Ja, und Sackhüpfen, das machte auch viel Spaß. Und der alte Schichtmeister Dickmann hielt dann oben von der Brücke vor seinem Schichtmeisterhäuschen auch noch mal eine Rede. Dann kriegten wir jeder noch vier Speckbirnen, und nun wurde es so langsam Zeit, heimzugehen. Unsere Eltern waren den ganzen Mittag mit auf dem Zechenplatz. Wir Kinder wurden heimgebracht und bei Nies im Saal gab es noch einen flotten Ball.“ „Siehst du, das haben wir Alten dann doch euch Jüngeren voraus, so ein Sedan-Schulfest das habt ihr nie gekannt.“ „Nein, da können wir nicht mehr mitreden, wir haben ja auch andere Lehrer gehabt als ihr.“ „Still, da fällt mir noch ein, einmal nach Jahren, so mit 25 Jahren, da ist nochmal ein Sedanfest gefeiert worden, aber so wie früher klappte es nicht.“ „Ja, da hast du Recht, auf das Sedanfest freute man sich auch am meisten wegen der vier Wochen Ferien, die es gleich danach gab. „Schön war es auch, wenn die Kleinen in die Schule kamen. In unserer Kinderzeit wurde zu Hause überall Platt gesprochen und wenn die I-Dötzchen dann in die Schule mußten, war das Malheur da. Meistens war der kleine Lehrer, der sie kriegte, ein Fremder, der vom Mölmsch Platt soviel verstand wie eine Krähe vom Sonntag. Da sind öfter schöne Späße vorgekommen. Sagte so ein kleiner Dotz: „Mister, doon me ees et Kniepmetz (Messer), ick häpp dä Griffel aafchebroken“, dann stand der arme Lehrer da und wußte nicht, was der Junge wollte. Oder ein anderer rief: „Mister, mack me-i ees die Kläppen open, ick mutt ees eruut.“ Ein kleines Mädchen wollte partout nach Hause, es gefiel ihm in der Schule nicht und es läuft zur Tür. „Kind, du musst hier bleiben“, sagt der Lehrer. „Nä. Ick will noh Mama“. „Ja, gleich“, er fasst es am Händchen und bringt das kleine Mädchen wieder in die Bank. „Mister, lot me-i doch chohne, ick will he-im“, heult es, der Lehrer denkt sich, was es bloß will. „Ja gleich“. „Ich gebsche ouk min Pannekooken, löttse me-i dann chohne?“, es hält dem Lehrer das Butterbrot hin, damit er es heimgehen lassen soll.“ „Ja, damals und heute, - nun ist es gut, dass den Schülern heute in der Volksschule soviel geboten wird; aber was meinst du, war es in unserer Jugendzeit nicht auch schön?“ „Aber gewiss, darum wollen wir auch mitfeiern.
Aber nun wird es Zeit, heimzugehen, sonst kocht mir meine Alte noch eine Brummsuppe.“
E. J.
*Ilex - im Originaltext steht „Hülskrappen“, andernorts "Hülskrabbe" oder auch Stechpalme und Ilex genannt. Es war zu der Zeit ein beliebtes natürliches Girlandenmaterial, ob mit oder ohne Beeren.
Emilie Jansen war Lehrerin an der Luisenschule (Volksschule an der Blumendeller Straße 15) unter Rektor Max Simon
Emilie Jansen war Lehrerin an der Luisenschule (Volksschule an der Blumendeller Straße 15) unter Rektor Max Simon
1902 wurde die „Schneppenbeck“ in Luisenstraße umbenannt.
1914 erfolgte eine erneute Umbenennung der Straße: Aus der Luisenstraße wurde die Blumendeller Straße.
Die zwei Gebäude für jeweils 4 Klassen mit einem Wohnhaus dazwischen und einem dahinterliegenden botanischen Garten war von einer mannshohen Mauer umgeben.
Die stark beschädigte Schule wurde nach dem 2. Weltkrieg nicht wieder aufgebaut.
Autor:Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr |
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