Kaiserswerth
Die Eulenbergs liegen im Garten
von „Haus Freiheit“, Burgwall 4, in Kaiserswerth. Und zwar seit 1949 bzw. 1960.
Nicht weit davon, im Park neben der Kaiserpfalz, steht die Büste Eulenbergs zusammen mit denen anderer Kaiserswerther Berühmtheiten wie der des hier als Sohn des Burgvogts geborenen Jesuiten Friedrich Spee von Langenfeld, der sich im 17. Jh. gegen die Hexenprozesse stellte. Er ist nach dem ebenfalls 1591 geborenen Kölner Schall von Bell, welcher den chinesischen Kaiser beriet und den chinesischen Kalender reformierte, der andere von den insgesamt nur zwei Jesuiten, die ich sehr bewundere. Hatte Friedrich Spee doch die Melodie eines frivolen französischen Liedes in das Weihnachtslied „Zu Betlehem geboren“ verwandelt.
Herbert Eulenberg fasziniert mich aber schon allein durch sein Haus und den langen Herbert-Eulenberg-Weg direkt am Rhein. Er führt ganz nah an „Haus Freiheit“, dem ersten Haus auf dem Burgwall, vorbei. Ich erinnere mich, dass ich hier mal vor Jahren ein Schild am Zaun oder Tor gelesen hatte mit dem Hinweis, dass hier ein bekannter Schriftsteller gelebt habe. Ich wusste damals rein gar nichts damit anzufangen.
Erst kürzlich stieß ich zufällig über die Literatursuche zum Thema „Fliege“ auf seinen Namen. Unter dem schmalen Angebot literarischer Fürsprecher der Stubenfliege rangierte er mit seinem nur teilweise ausgeführten Roman „Katinka“ einsam an der Spitze.
Max Herbert Eulenberg, 1876 in Köln-Mülheim geboren, führte in seinem „Haus Freiheit“ am Rhein das Leben eines Literaten. Er hatte Jura studiert, ist aber nach Staatsexamen, Promotion und Referendariat gleich in die Theaterwelt gestartet, leitete schon früh das „Berliner Theater“ und gehörte vor dem 1. Weltkrieg zu den meistgespielten Bühnenautoren in Deutschland. Später verdiente er sein Brot hauptsächlich mit feuilletonistische Artikeln in verschiedenen Zeitungen, pflegte aber immer einen regen brieflichen als auch persönlichen Kontakt mit Schriftstellern wie Thomas Mann, Gerhart Hauptmann, Hugo von Hofmannsthal, Joachim Ringelnatz usw. Aber auch Hans Pfitzner, Richard Strauss , Heinz Rühmann und diverse bekannte Maler gehörten zu den Gästen in Haus Freiheit.
Seine Frau Hedda Eulenberg geb. Maas stammte aus Duisburg-Meiderich und hatte sich einen Namen als Übersetzerin gemacht. Sie schrieb z. B. die erste deutsche Übersetzung für Werke von Edgar Allan Poe.
Eulenberg wurde im 1. Weltkrieg eingezogen, war aber eigentlich überzeugter Pazifist, oft abseits vom Zeitgeist, und stieß seit den 1920er Jahren immer mehr auf öffentlichen Widerspruch, bis er unter Hitler allerlei Schikanen erleiden musste und schließlich Berufsverbot erhielt. Der Freigeist hatte vor, nach dem 2. Weltkrieg noch einmal zu starten. Leider erwischte ihn 1949 in Düsseldorf ein herabfallendes Trümmerteil. Er verstarb an den Folgen.
Die „Morgenfeiern“ (1905 – 1909) am Düsseldorfer Schauspielhaus hätte ich gerne miterlebt. Das waren Matineen, bei denen Eulenberg Dichter, Musiker, Maler und literarische Strömungen vorstellte. Die einleitenden Ansprachen hat er später als „Schattenbilder“ herausgegeben. Neben „Sonderbare Geschichten“ sicher auch heute noch eine lohnende Lektüre.
Seine weitschweifige Sprache wirkt gut 100 Jahre später vielleicht umständlich. Andrerseits ist sie verblüffend frisch, und seine Schlagfertigkeit, sein Phantasie- und Bildungsreichtum, gewürzt mit fast modern anmutenden Worterfindungen, lässt einen immer wieder schmunzeln. Der humanistische Grundton verbreitet beim Leser das angenehme Gefühl, bei einem guten Freund zu Gast zu sein. Auffallend ist allerdings die Abwesenheit aller christlichen Bezügen. Sieht man mal vom „Marienbild“ in den „Sonderbaren Geschichten“ ab, das aber mehr den Aberglauben karikiert. Im christlichen Kaiserswerth mit historischen Persönlichkeiten wie dem heiligen Suitbert, Friedrich von Spee, Theodor Fliedner und Florence Nightingale bildet er eine Ausnahme. Aber auch der pazifistische Atheist Eulenberg, gehörte einem „monistischen Bund“ an und pflegte das Primat der Kultur wie ein Priester vor seiner Gemeinde. Insofern passt er sehr gut zu den von großem missionarischem Eifer getriebenen Kaiserswerther Persönlichkeiten.
Als Kommunikator der Kulturschaffenden im Rheinland und weit darüber hinaus war Herbert Eulenberg in seinem Haus am Rhein gemeinsam mit seiner Frau Hedda unbestritten eine Institution mit regionaler und überregionaler Wirkung auf die kunstbeflissene Gesellschaft.
Thomas Mann nannte ihn 1946 anlässlich seiner Ehrenbürgerschaftsverleihung der Stadt Düsseldorf „Ehrenbürger der Welt“!
Wunderschön das Gedicht, das der Ehrenbürger seinem Kaiserswerth gewidmet hat:
Kaiserswerth
Die Stille segnet dich mit vollen Händen,
Mein Städtchen. Wie ein milder ernster Greis,
Der sich den Tod längst nicht mehr schrecklich weiß,
Wallt leis der Rhein vorbei, gewillt zu enden.
Mit Schiffchen spielt er, lässt sich sanft verwenden
Und malt dich zitternd ab zu deinem Preis:
Den grauen Dom, die tote Burg, den Kreis
Der kleinen Häuser mit geweißten Wänden.
Horch! Es schlägt Mittag. Alle Glocken klingen
Vermischt, wie Alt und Jung zusammenleben.
Die Tauben aufgeschreckt ums Kirchdach schweben,
Den Turmhahn lüstet es, sich mitzuschwingen.
Die Sonne lacht aus zarten Wolken matt
Der Menschenzeit auf goldnem Zifferblatt.21
Schon zu seiner Zeit gab es allerdings auch Kritik. Zu allererst vom Berliner „Chefkritiker“ Alfred Kerr: "Ein blühender Rheinländer sind Sie, mit liebenswerten Eigenschaften". Das entziehe ihn aber nicht der Verpflichtung, "einmal etwas Starkes zu geben." In Klammern fügt Kerr erläuternd hinzu: "Statt vielerlei zu geben, was vielfältig ist ohne stark zu sein."
Genau das aber wollte Eulenberg: Vielfältiges geben! Die Kunst war ihm eine fortwährende Feier des Lebens und kein schwankendes Auf und Ab stärkerer und weniger starker Momente.
Sein literarisches Schaffen atmete stets die Freiheit des Individuums und ist insofern sehr modern, war aber für den Sofortverzehr geschaffen.
So ragt aus seinem riesigen Nachlass mit allein über 100 Bühnenwerken, der im Heinrich-Heine-Institut schlummert, nur weniges heraus, das man mit leichten Überarbeitungen wieder aufführen könnte, und nichts davon ist im allgemeinen Gedächtnis verewigt.
Dennoch, lieber Kulturfreund:
Kommst du nach Kaiserswerth, wandle auf dem Herbert-Eulenberg-Weg den Rhein entlang und lass deinen Blick auch einmal grüßend zu den beiden im Garten von „Haus Frieden“ Ruhenden schweifen, der kunstversonnenen Verse des einstigen Hauseigentümers eingedenk:
An den Rhein (1926)
Gewalt‘ger Bruder, wag ich es, dein Bild,
Das immerzu an mir vorüberfließt
Und sich voll Majestät in mich ergießt,
Im Vers zu spiegeln als dein helles Schild:
Ich diene dir getreu an meiner Statt.
Mein Haus prangt fest an deinem weichen Rand,
Mit blanken Augen froh dir zugewandt,
Sieht es wie ich sich niemals an dir satt.
Am liebsten freilich bist du uns bei Nacht.
Du schläfst nicht ein, ziehst deine große Bahn
Gleich uns gewunden durch des Daseins Macht
Dem Meer, dem Tode zu. Du fühlst ihn nahn,
Und unter den Gestirnen wirr entfacht
Singst du im Sterben leise wie ein Schwan.
Dann magst du in Frieden an der Fähre unter den alten Kastanienbäumen dein Eis oder Bier genießen. Und Herbert Eulenberg leistet dir als Straßenschild Gesellschaft!
Dabei rufst du selbstverständlich auf deinem Handy die Homepage auf, die Thomas Eulenberg, der Enkel, für seine Großeltern zusammengestellt hat:
Autor:Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr |
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