Satire op Platt
Der Heinrich Heine von Saarn - Zwei Gedichte

Tournürenkleid   -  Heinrich Mühlsiepen 1836 - 1901 | Foto: Idee: Firla - Umsetzung: Designer-GPT-Bing
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  • Tournürenkleid - Heinrich Mühlsiepen 1836 - 1901
  • Foto: Idee: Firla - Umsetzung: Designer-GPT-Bing
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Heinrich Mühlsiepen 1836 -1901

        Dä domme Stoht
      (die dumme Mode*)

Die Mädchen sind doch hützudag
So närrisch angetrocken.
Me kennt hörin ken Frau noch Mann,
Hant betzt gar lange Locken.

Dä Hot, dä steht öhr op de Kopp
Ass wie en Kappeshögl.
Mit Naule sind gepitscht do dropp
En paar kapotte Vögel.

De Ströpp, die weihen vör un achter
On jukig sind de Mauen.
En Fell em Geseech van Glaspapier,
Dat sind me dütsche Frauen.

Kamelkösse op de Fott
As wie Kamelehöcker.
Dat Hemp ös achter un vör kapott
On beedste Strömp völl Löker.

Wenn früh om Elf Besök sprek vör,
Det de se überrasche.
De Kehrdreck lech noch vör de Dür,
Sind net gekämmt, gewasche.

Sei drage Gläser on Sonnescherm
On Fläschkes dran te ruke,
För Wind te schnie sind se firm,
Mer sönss ne reech tebruke.

gemeint ist Stoht= Staat=sich auftakeln für's Ausgehen, i.w.S. mit der Mode gehen

Quelle: As Saan noch lang niet Großstadt wor, Seite 31

Anmerkung:

Es scheint eins von Schreinermeister Mühlsiepens frühen satirische Versen zu sein, unbekümmert frech und in einer Mischung aus Umgangsdeutsch und Dialekt.

Man merkt seine Freude an Spötteleien, die alles und jeden betrafen, und mit Frauenfeindlichkeit nichts zu tun hatten.

Zu vielem gab er die Melodie an, auf die es zu singen sei. Dazu war besonders der Saarner Karnevalsverein ( Kloumpe Klubb) auserkoren.

Selten passt das Bild vom Versedrechseln so wie bei ihm, dem Schreinermeister von der Kölner Straße, und man kann sich gut vorstellen wie er Beruf und Hobby miteinander verband.

Das gesäßbetonte Tournürenkleid als Kamelhöcker, die Federn auf dem Hut als totgeschossene Vögel und das Spitzen-Dekolleté als kaputtes Hemd zu bezeichnen ist schon echt stark!

Mit seinen Ideen und der forschen aber dennoch singbaren  Sprache war er sowas wie der Heinrich Heine von Saarn.

Hier noch ein wenig bekanntes Gedicht über einen Saarner Leierkastenmann im Schweifreim, wie er z.B. in Claudius' "Der Mond ist aufgegangen" verwendet wird.

Aus: as Saan noch lang niet Großstadt wor, Seite 30

Wellm Tüschkens Bettelbrief

De Stouv ös kault, den Owen ut,
min Frau ös bleind, kein Katt off Puht –
de Weinterdag, de langen!
Et hewe sich die Müs em Kass‘
soewes all van Schmach un Laas‘
tesamen opgehangen.

Nou gohn eck, wie gewennt, eröm,
ach gewent mei, eck bett önk dröm,
doch en bettschen, mei te freuen.
Off Fleisch, off Fett, off baret Geld
ös einerlei, - wat önk gefällt.
Et wett önk niet gereuen.

In minnem Örgel fehlen Pinn
On Spinnennester sitten drin,
het op de Boß et Schnörgeln.
Doch wenn dat Fröhjoahr wer es kömpt,
sall eck wall flöck un ungesömpt
min herzlich Dankelied örgeln.

Dat Saansche un dat berg’sche Laund
Dat heb eck jo tum Önerpaund,
do kenne se all den Aule.
De gudde Lüht, de gonnt net opp,
dröm kann ouk sonne groute Tropp
mei met am Lewen haule.

Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

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