Bibel
Der kleine Jesus und die Spatzen - und eine weitere Lehmschöpfung
Was Jesus als Kind so getrieben hat, hat die Menschen schon immer interessiert. Deshalb entstanden sehr bald sogenannte Kindheitsevangelien. Sie wurden von der Kirche nie anerkannt, stehen aber in der Bibel. Da ist so manches Beiwerk zu lesen. In Trumps Bibel, die er vertreibt, steht sogar der Text
seiner Wahlkampfsongs.
Aus dem apokryphen Kindheitsevangelium des Thomas: J
Als Jesus fünf Jahre alt war…
Als dieser Knabe Jesus fünf Jahre alt geworden war, spielte er an einer Furt eines Baches; das vorbei - fließende Wasser leitete er in Gruben zusammen und machte es sofort rein; mit dem bloßen Worte gebot er ihm. Er bereitete sich weichen Lehm und bildete daraus zwölf Sperlinge. Es war Sabbat, als er dies tat. Auch viele andere Kinder spielten mit ihm. Als nun ein Jude sah, was Jesus am Sabbat beim Spielen tat, ging er sogleich weg und meldete dessen Vater Josef: „Siehe, dein Knabe ist am Bach, er hat Lehm genommen, zwölf Vögel gebildet und hat den Sabbat entweiht.“ Als nun Josef an den Ort gekommen war und (es) gesehen hatte, da herrschte er ihn an: „Weshalb tust du am Sabbat, was man nicht tun darf?“ Jesus aber klatschte in die Hände und schrie den Sperlingen zu: „Fort mit euch!“ Die Sperlinge öffneten ihre Flügel und flogen mit Geschrei davon. Als aber die Juden das sahen, staunten sie, gingen weg und erzählten ihren Ältes - ten, was sie Jesus hatten tun sehen. Kindheitserzählung des Thomas (KThom 2)
Als ich das jetzt las, fiel mir meine Geschichte vom göttlichen Hobby ein, wo der kleine Jesus auch mit Lehm experimentiert. Ich füge sie hier an, ohne den Anspruch zu erheben, sie künftig zu den apokryphen Bibelteilen rechnen zu sollen:
Als Gottes Sohn noch ein Kind war, konnte er abends oft nicht einschlafen, weil sein Heiligen-schein hell wie ein Nachttischlämpchen leuchtete. Dann nahm er immer einen Zeichenblock und malte Männchen. Erst eins, dann zwei, dann noch eins, dann vier, dann stand Gott-Mutter in der Tür: "Jetzt wird aber endlich geschlafen! Morgen ist auch noch ein Tag!" Sie nahm ihm den Block ab und den Heiligenschein mit in die Küche. Dort legte sie ihn zu den anderen Scheinen in die Spülmaschine. Dann war eigentlich immer Ruhe im Gotteshaus.
Einmal gab es aber mitten in der Nacht einen ohrenbetäubenden Krach. Der Sohn hörte seine Mutter in der Diele rufen: "Ach, du lieber Gott, wie siehst du denn wieder aus?" Ihr Götter¬gatte stapfte schwer atmend mit pechschwarzem Gesicht die Kellertreppe herauf. Er hatte mal wieder heimlich gebastelt. „Entschuldigung, ich habe experimentiert, und da muss mir was ex¬plodiert sein." „Ja, aber das war mir vielleicht sowas von einem Urknall! Mein Gott! Du solltest dich was schämen, das Kind braucht doch seinen Schlaf!“ Das Kind stand schon neben ihnen, und alle drei stiegen in Vaters Hobbykeller hinab, um die Bescherung anzuschauen. Der Raum war arg gekrümmt; unendlich viele größere und kleinere Klumpen flogen herum, und in den Wänden waren schwarze Löcher, durch die beständig einige Teilchen entschwanden.
„Also, ich räume das hier nicht auf,“ sagte Mutter. „Um Gottes, also meines Willens, nein, auf keinen Fall: Das ist meine Welt - und sonst gar nichts!" stieß der Gottvater in Anlehnung an ein Lied von Marlene Dietrich hervor.
Das war nun schon wieder eine kleine Ewigkeit her. Und die Gottmutter hatte sich schon fast an das Planetarium im Keller gewöhnt. Auch wenn sie es viel zu staubig und das Umeinandergekreise ziemlich öde fand. Um sie zu besänftigen, hatte der liebe Gott sogar einen etwas feucht gewordenen kleinen Planeten zur Hälfte mit Grünzeug überwuchern lassen und allerhand Krabbelzeug hineingesetzt.
Während sein Vater jeden Tag damit beschäftigt war, alles in Gang zu halten und die schwarzen Löcher zu stopfen, hockte der Sohn am liebsten in einer Lehmgrube hinter dem Haus und knetete Lehmmännchen. Leider trockneten sie immer viel zu schnell aus und zerfielen rasch wieder zu Staub. Das machte ihn traurig, und er rief: „Vater unser, kannst du mir mal helfen?" Das ging natürlich nicht sofort. Aber eines Wochenendes schließlich weihte er seinen Sohn in die Technik der Mund-zu-Lehm-Beatmung ein, und siehe da, das Verfallsdatum ließ sich schon eine kleine Weile hinauszögern. Der Sohn staunte nicht schlecht, der Vater war stolz und wurde prompt eine Spur zu überheblich. Er zeigte als Zugabe, wie man sich viel Arbeit sparen kann, indem man einem Lehmmännchen ein Lehmfräuchen zugesellt.
Als der Sohn aber schließlich darauf bestand, die gemeinsamen Lehmkreationen zu dem Krabbelzeug auf den kleinen blauen Planeten im Hobbykeller zu setzen, gab es eine handfeste Auseinandersetzung.
„Gottachgott", rief die Mutter aus der Küche, „was ist denn daran so schlimm?“ Vater aber sprach: „Ich weiß schon jetzt, die werden mir eines Tages das ganze ökologische Gleich¬gewicht durcheinanderbringen. Und außerdem ist das mein Planetarium und keine Spielwiese fiir Lehmmännchen!" „Unser Planetarium“, verbesserte ihn seine Gattin, denn sie war für den heiligen Familiengeist zuständig. Was blieb da dem lieben Gott anderes übrig?
Wie er prophezeit hatte, machten die neuen Planetenbewohner bald Ärger. Beim ersten Mal versuchte er sie kurzerhand mit einem Eimer Wasser zu ersäufen. Dann schickte er seinen Sohn, der ja alles angefangen hatte, in Lehmmännchengestalt zu ihnen, um sie endlich zur Vernunft zu bringen. Alles umsonst!
Seitdem geht er nur noch selten in den Keller.
Manchmal, wenn sie abends vor dem Fernseher sitzen und zufällig einen Privatsender eingeschaltet haben, hört man den Alten murmeln: „Ich glaube, ich sollte doch mal wieder nach dem Rechten sehen!“
Franz Bertram Firla
Autor:Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr |
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