St. Martin
Dem Määtes - Vögelsche ein Denkmal setzen
Eine launige Betrachtung zum Mölmschen Vögelsche-Lied
nebst Aufruf zu einem Vögelsche-Denkmal
Das Interessanteste an Mülheim an der Ruhr ist das Lied: „Ssinter Mätes Vögelsche“.
1968 bin ich wegen dieses Liedes nach Mülheim gezogen. In Bonn gab es nur so alberne Mundart-Martinslieder wie „De hillige Zinte Mätes, dat wor ne jode Mann, dä joof de Kinder e Kähzje un stoch et selwer aan. Bozz, bozz, widder bozz, dat woar ne joode Ma-a-aan!“
Aber welche barocke Pracht der Bilder und welche kulturgeschichtliche Tiefe tut sich uns im Mülheimer Lied mit dem Vögelsche auf!
Um so enttäuschter war ich, als ich erfuhr, dass das Lied zwar noch gelegentlich gesungen wurde, aber sich kaum jemand mit dem Lied ernsthaft beschäftigt hatte,1968 nicht und 2024 immer noch nicht, und das trotz meiner zahlreichen und mehrgleisigen Bemühungen, das Lied in einen größeren, ja europäischen Zusammenhang zu stellen.
Stattdessen höre ich immer wieder die gleichen Floskeln vom Mülheimer Eigengewächs und der Gans, die mit dem Vögelschen gemeint sei. Zu Einzelheiten schweigt man sich weiter aus. Vorallem, weil dem Lied mit Logik nicht beizukommen ist und Mülheimer Quellen nicht ausreichen, es einigermaßen befriedigend zu erklären. Es lädt nämlich ein zum Studium germanischer Mythologie, zur deutschen und niederländischen Brauchtums-bzw. Brauchtumsliederforschung, zur Dialektforschung, zum Studium niederländischer Kolonisation in Norddeutschland und nicht zuletzt der Kirchengeschichte und Heiligenverehrung und einigem mehr.
Und nachdem man all das getan hat, muss man sich mit dem, was man getan hat, zufrieden geben, ohne eine zweifelsfreie Erklärung für den irgendwann wohl spontan erfundenen Singsang gefunden zu haben.
Das aber ist zugleich auch die Größe dieses Liedes. Das Unerklärliche ebenso wie das Mehrdeutige. Das habe ich inzwischen begriffen und mir ist nach und nach aufgegangen, welch große Weisheit doch darin liegt, dass alte Mülheimer keine Fragen an das Lied stellen. Ab diesem Zeitpunkt, aber erst seitdem, darf ich mich wohl einen „ächte Mölmsche“ nennen.
Das Allergrößte an dem Vögelschelied aber ist, dass es das Mölmsch Platt bis in unsere Tage auf die Lippen der Mölmschen transportiert hat. Ich habe selbst erlebt, wie ein Kreis von im Rollstuhl sitzenden 90-Jähriger in einer Senioreneinrichtung dieses Lied ohne Textvorlage gesungen, ja geschmettert haben. Meinen Rheinlandtaler widme ich zu einem Drittel deshalb diesem Lied. Und natürlich Ernst Buchloh und Wilhelm Klewer, deren Erläuterungen mir als erstes in die Hände fielen, und die mich gleich so faszinierten, dass ich bis heute glaube, der Erste zu sein, der seinen Wohnsitz wegen eines Liedes gewechselt hat, weil all die anderen Gründe mir mit zunehmendem Alter immer weniger plausibel erscheinen.
Das zweite Drittel geht übrigens an Chird Hardering, den ich erst später kennenlernte und bei dem ich wie beim Vögelsche-Lied feststellen musste, dass hier nicht tief genug gebohrt wurde. Wie sonst ist es zu erklären, dass erst einer aus Bonn kommen musste, um sein wunderbares Wörterbuch-Manuskript und die Tonaufnahmen seiner Gedichtlesungen aus einem Mülheimer Keller ans Tageslicht zu befördern.Er hatte aber leider mit dem Vögelschen und seinem Kapögelschen nichts auf dem Hut.
Das drittel Drittel, um das noch zu vervollständigen, widme ich natürlich meiner Frau, die ich hier in der Vögelschen-Stadt kennenlernte, die aber aus Rheydt kommt, wo das Ssinter Mätes Vögelsche ebenfalls unbekannt ist, welche aber ungeachtet dessen sehr viel über das Lied lernen musste, weil sie mit einem weiteren seltsamen Vogel zusammen lebt, der alljährlich von Oktober bis November von nichts anderem redet.
Aus alldem geht klar hervor, dass eine Erinnerung an Mölmsch Platt ohne das Vögelsche-Lied nicht möglich ist. Und so wunderbar auch die Verse unserer Heimatpoeten klingen mögen, an die archaischen Verse, die einst wohl spontan erfunden und aneinandergereiht wurden, reicht keine ihrer Zeilen heran.
Und wenn wir unserer Mundart ein sichtbares Denkmal setzen wollen, dann müssten wir diesem Text und dem Vögelsche mit dem roat Kapögelsche irgendwo in der Altstadt Gestalt und Raum geben.
Dies ist ein Aufruf, über solch ein Denkmal nachzudenken!!!
Szenen aus dem SMV-Lied (mit Hilfe von van Dyck/KI):
Die acht Szenen, die im Text beschrieben werden:
Flug über Rhein-Fette Schweine
Bäuerin legt Eier von den Hühner in die Körbe der Kinder
Lange und kurze Würste hängen unter dem Dach,
Der Hinweis auf Essen, Viehmarkt
Der reiche Mann gibt viel,
Magd auf dem Dachboden. Nüssesack
Knecht wirft Äpfel aus der Dachluke auf Kinder, die wohl am Teich stehen,
Kinder verjagen Teufel (Textdeutung)
Autor:Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr |
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