Die Intensivpfleger sind für die Erkrankten nicht selten die einzigen Bezugspersonen
"Corona hält uns weiter in Atem"
„Ja, Corona hat unser Arbeitsleben total verändert, und das greift auch tief ins Private hinein.“ Tobias Buschmann, Fachbereichsleiter Intensivstation am Evangelischen Krankenhaus Mülheim (EKM), weiß, dass die Situation manche Kolleginnen und Kollegen sehr belaste, andererseits aber auch den Zusammenhalt und das Miteinander im Team gestärkt habe.
„Normal“ sei die Arbeit auf einer Intensivstation ohnehin nicht, aber durch die Corona-Pandemie sei sie extrem geworden, berichtet er im Gespräch mit der Mülheimer Woche. Physisch und auch psychisch hinterlasse das Spuren. Jeder Corona-Patient auf der Intensivstation ist in einem Einzelzimmer untergebracht. Buschmann: „Für uns heißt das, beim Betreten des Zimmers Schutzkleidung anziehen, Maske und Visier aufsetzen, nachdenken, ob wir nichts vergessen haben. Manchmal sind wir ja auch über einen längeren Zeitraum beim Patienten, und da geht die Arbeit in Schutzkleidung und Maske schon mal an die eigene Substanz und macht einen im wahren Sinn des Wortes atemlos.“
Er wird nachdenklich und emotional: „Es ist mitunter schon bedrückend, wenn sie fast hautnah miterleben, wie sich der Zustand eines Patienten innerhalb kürzester Zeit verschlechtert. Plötzlich ist er nicht mehr ansprechbar, und es müssen ganz schnell weitere Maßnahmen ergriffen werden.“ Dann wieder tue es gut, wenn man erlebt, dass sich bei einem anderen Patienten der Gesundheitszustand soweit gebessert hat, dass er auf eine normale Station verlegt werden kann. Diese ganzen Erfahrungen und Eindrücke könne man aber nicht an der Pforte abgeben, man nimmt sie mit nach Hause. „Manchmal bin ich richtig kaputt, wenn ich nach Hause komme, dann will ich mich nur noch aufs Ohr legen.“
Gegenseitig aufmuntern
Der Gedanken- und Meinungsaustausch mit den Kollegen ist Corona-bedingt ebenfalls stark eingeschränkt. Man könne sich ja auch in den Pausen auch nicht mehr mit mehreren zusammensetzen, um zu beratschlagen, sich Tipps einzuholen oder sich gegenseitig aufzumuntern. Zum Glück, so der 33-jährige, „gibt es hier im EKM den psychologischen Dienst, den viele Kollegen, auch ich selbst, in Anspruch nehmen, um zu reden, Luft abzulassen, innere Rückendeckung und Stärkung zu bekommen.
Daher hat der Intensivpfleger auch kein Verständnis für Corona-Leugner oder Zeitgenossen, die mal so eben in dieser anspruchsvollen Zeit nach Winterberg fahren, für Chaos sorgen und alle notwendigen Regeln außer Acht lassen. Er, der selber gerne Ski fährt, sagt: „Die müssten sich einmal hier auf unserer Intensivstation umschauen, dann wüssten sie, was Corona anrichtet.“ Natürlich geht das nicht mit dem „Umschauen dort“, aber auch die, wenn auch noch so kurzen Besuche von Angehörigen bei den Erkrankten seien weitestgehend nicht mehr möglich. „Da sind wir für die Patienten oft die einzigen Bezugspersonen“, so Buschmann.
Ein paar nette Worte, ein Lächeln, ein Augenzwinkern könnten da Wunder bewirken, meint er. Tobias Buschmann nimmt das Wort Wertschätzung in den Mund. Und die sei keine Einbahnstraße, sondern beruhe auf Gegenseitigkeit. Jeder Intensivpfleger betreut im EKM zwei Patienten, also zwei Zimmer. Da man nicht in beiden Zimmern gleichzeitig sein könne, würden im Fall eines Falles auch schon mal Kollegen einspringen. Und die Unterstützung der Ärzte sei „einfach überragend und vorbildlich“, ergänzt er.
Arbeiten mit Hochdruck
Das gelte auch für die weiteren involvierten Stellen im Haus. „Wir brauchen ja auch entsprechende Versorgungsmaterialien, Medikamente und zusätzliche Geräte“, so Buschmann, „da gibt es kontinuierliche neue Lieferungen. Wenn wir an einem Donnerstag feststellen, dass etwas zur Neige geht, macht sich schon Sorge breit, ob wir über den nächsten Tag kommen. Aber wir wenn am Freitag wieder auf der Station sind, ist alles da.“ Auch die Kolleginnen und Kollegen in der Materialbeschaffung arbeiten mit Hochdruck und würden einen „guten Job“ machen.
Plötzlich wird Buschmann in unserem Gespräch noch einmal sehr nachdenklich: „Auf der Intensivstation gehört natürlich auch der Tod zum Leben. Jetzt zu Corona-Zeiten sind in der Regel keine Angehörigen da, die in den letzten Stunden oder Minuten da sind, das Händchen halten, mitfühlen. Auch da sind wir dann da, denn die Würde des Menschen reicht über den Tod hinaus.“
Die Sorge um die Corona-Patienten ist die eine Seite, die Betreuung und Pflege der „anderen“ Intensiv- und Notfälle eine weitere. „Die werden natürlich nicht vernachlässigt“. So verteilt sich die Arbeit auf zwei von einander getrennte Ebenen. Die Befürchtung, dass es wegen der Corona-Patienten an Intensivbetten fehlen könne, haben die Intensiv-Teams nicht. Dafür sei im EKM alles bestens strukturiert und vorbereitet.
Verantwortung tragen
„Allerdings“, so Tobias Buschmann, „könnten wir im Extremfall durchaus mehr Personal gebrauchen.“ Deshalb legt er jungen Menschen seinen Beruf gerne ans Herz. Aus Chemnitz stammend, hat er hier im EKM 2007 seine Ausbildung als Pfleger begonnen, ist durch Zusatzqualifikationen Intensivpfleger geworden und hat parallel dazu Pflegemanagement studiert. Seit 2017 ist er Fachbereichsleiter Intensivstation. Er geht in seinem Beruf auf, und kommt abschließend noch einmal auf die gegenseitige Wertschätzung zu sprechen.
Natürlich wünschen er und seine Kollegen sich nichts sehnlicher, als dass man die Corona-Pandemie in den Griff bekomme. Jeder Einzelne könne halt durch entsprechendes Verhalten dazu beitragen. Das habe etwas mit Verantwortung für sich und seine Mitmenschen zu tun. Wie halt in seinem Beruf.
Autor:Reiner Terhorst aus Duisburg |
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