Wissenschaftler suchen weitere Betroffene für eine Studie über sexuellen Missbrauch im Bistum
Bistum Essen will Aufdeckung

Bischof Franz-Josef Overbeck will die Strukturen hinterfragen, die den sexuellen Missbrauch im Bistum begünstigten. | Foto: Achim Pohl/Bistum Essen
  • Bischof Franz-Josef Overbeck will die Strukturen hinterfragen, die den sexuellen Missbrauch im Bistum begünstigten.
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Mit einer neuen Studie zu sexuellem Missbrauch im Bistum Essen möchte die Diözese Strukturen, Verhaltensmuster und Fehler von Verantwortlichen aufdecken, die in der Vergangenheit sexualisierte Gewalt in kirchlichen Einrichtungen begünstigt haben. Dieses Projekt haben Bischof Franz-Josef Overbeck und Generalvikar Klaus Pfeffer zusammen mit Wissenschaftlern des Münchener Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) in Essen vorgestellt.

„Die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche darf nicht bei der quantitativen Erhebung vergangener Taten stehen bleiben“, hob der Bischof hervor. Ihm sei wichtig, „die strukturellen Hintergründe in unserer Kirche aufzudecken, die Missbrauchstaten unterstützt und ihre spätere Vertuschung ermöglicht haben“, formulierte Overbeck das Ziel der auf zwei Jahre angelegten Studie „Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum Essen von 1958 bis heute“.

Konkret werden die beteiligten Wissenschaftler „Tiefenanalysen von ausgewählten Fällen sexualisierter Gewalt und Grenzverletzungen durch Kleriker oder andere Mitarbeiter des Bistums Essen gegenüber Minderjährigen durchführen“, erläuterte IPP-Geschäftsführerin Helga Dill. Dabei soll zum einen festgestellt werden, „wie die Bistumsverantwortlichen mit Hinweisen auf sexualisierte Gewalt verfahren sind, wie mit Betroffenen umgegangen wurde und welche Auswirkungen die Taten für die Betroffenen hatten.“

Zum anderen werde das IPP untersuchen, „wie sich Vorwürfe in Bezug auf sexualisierte Gewalt durch einen Geistlichen auf ganze Kirchengemeinden ausgewirkt haben“, so Dill. In einem dritten Studien-Modul werden die Wissenschaftler zudem erforschen, wie in vergangenen Jahrzehnten über Sexualität und Sexualmoral in der Kirche gedacht und gesprochen wurde, speziell in der Priesterausbildung, und welche Folgen daraus zum Umgang mit Missbrauchsvorwürfen, Betroffenen, Beschuldigten oder überführten Tätern folgten. Neben dem Aktenstudium planen die Forscher auch zahlreiche Gespräche mit Betroffenen, Tätern und weiteren Zeitzeugen.

Generalvikar Pfeffer betonte, dass die Forscher „uneingeschränkte Einsicht in alle Archive und Personalakten, inklusive des Geheimarchivs“ erhalten. Gerhard Hackenschmied, Diplom-Psychologe am IPP bestätigte: „Wir arbeiteten ergebnisoffen, das Bistum hat uns gegenüber keinerlei Weisungsbefugnis und eine Veröffentlichung der Ergebnisse ist vertraglich vereinbart“. Sollte die Studie ergeben, „dass Personalverantwortliche bewusst und vorsätzlich Missbrauchstaten vertuscht haben, dann werden wir die Namen auch öffentlich nennen“, kündigte Bischof Overbeck an.
Für die neue Studie zu sexuellem Missbrauch im Bistum Essen bitten die Forscher Betroffene, sich zu melden. Betroffene können die Studie zudem als Mitglieder eines speziellen Gremiums begleiten.
Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich dabei um Geistliche, sonstige im kirchlichen Dienst beschäftigte oder ehrenamtliche Mitarbeitende handelt.

Betroffene können sich per E-Mail an Aufruf@ipp-muenchen.de wenden. Für eine Rückmeldung bitten die Wissenschaftler um die Angabe des Namens und einer Telefonnummer. Alternativ können sich Betroffene seit Dienstag, 10. März, bis Donnerstag, 9. April jeweils dienstags von 15 bis 18 Uhr und donnerstags von 9 bis 12 Uhr unter der Rufnummer 0151/457 298 12 auch telefonisch melden.

Interessierte auch für Begleitgremium gesucht
Zudem suchen die Wissenschaftler Betroffene, die die Studie in einem Begleitgremium unterstützen möchten. Bislang gehören dem Gremium Wissenschaftler des IPP sowie Vertreter des Bistums an. Das IPP bittet daher Menschen, die sexualisierte Übergriffe durch Mitarbeitende des Bistums Essen erlitten haben und sich eine Mitwirkung in dem Gremium vorstellen können, sich mit einer E-Mail an begleitgremium@ipp-muenchen.de und der Angabe von Name und Telefonnummer zu melden. Das IPP wird mit allen Interessenten Kontakt aufnehmen und die Möglichkeiten der Beteiligung absprechen.

Alle Angaben und Daten werden streng vertraulich behandelt und nach Abschluss der Studie gelöscht, betonen die Wissenschaftler. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des IPP und des Partnerinstituts Dissens verfügen über umfangreiche Erfahrungen im Kontakt sowie in Gesprächen mit von sexualisierter Gewalt betroffenen Menschen. Auf Wunsch vermitteln sie Betroffene an Beratungsstellen Bistum Essen weiter oder stellen – ebenfalls nur auf Wunsch – den Kontakt zu den Missbrauchsbeauftragten im Bistum Essen her.

Unabhängig von der Studie stehen diese beiden Ansprechpersonen auch weiterhin allen Menschen zur Verfügung, die Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt im Bistum Essen gemacht haben: Angelika von Schenk-Wilms, Zwölfling 16, 45127 Essen, Tel. 0151/571 500 84, E-Mail angelika.vonSchenk-Wilms@bistum-essen.de, und Karl Sarholz, Zwölfling 16, 45127 Essen, Tel. 0171/3 16 59 28, E-Mail karl.sarholz@bistum-essen.de.

Autor:

Andrea Rosenthal aus Mülheim an der Ruhr

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