Völkerverständigung durch Barcode
Alter weißer Mann kauft deutsche Zeitung in Holland

Auf den bodenmarkierten Corona-Abstand achtend stelle ich mich an der Kasse an und bereite mich vor, die deutsche Zeitung so zu halten, dass die Kassiererin den Preis problemlos lesen kann, falls sie den nicht im Kopf hat, und ich ihn dann nennen muss, und sie ihn dann nicht versteht, weil zweifünfunddreißig im Niederländischen nicht annähernd so klingt wie im Deutschen.

Man hat ja, wenn ich das hier sagen darf, bei der Einführung der gemeinsamen Währung nicht daran gedacht, dass die aufgedruckten Zahlen wie in Guldens Zeiten nach wie vor in der Landessprache ausgesprochen werden. Damit bleibt der Euro eine durchaus unterschiedliche Währung, etwa wie ein Lied, dessen Text gleichzeitig in verschiedenen Sprachen gesungen wird.

Jetzt bin ich dran. Verständnisvoll grinsend strecke ich ihr das Titelblatt entgegen, versuche ihren Blick telepathisch auf die Preisangabe zu lenken und kriege kaum mit, wie sie blitzschnell mit ihrem Scanner über den Barcode am untere Seitenende huscht.

Irgendwie verschlug es mir die Sprache. Sie sagte den Preis, ich legte stumm einen 5-Euroschein hin, nahm das Wechselgeld auf, das sie mir hinzählt, um dann das unvermeidliche „Alstublieft“ hinterherzuschicken. Ich brummte etwas Freundliches, vermied aber ein deutliches „Danke“, weil ich befürchtete, sie würde mir mit dem Scanner über den Mund fahren und auf dem Display „Dank u“ lesen.

Am nächsten Morgen hielt ich ihr die deutsche Zeitung in genau derselben Weise hin, nur mit dem feinen Unterschied, dass ich den Barcode vorsorglich mit einem Kugelschreiber bekritzelt hatte. Jetzt musste sie den Preis eintippen. „Zweifünfunddreißig“, lächelte sie mich an.

Aber das wusste ich natürlich. Für sie werden es aber wohl eher „twee vijfendertig“ gewesen sein.

Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

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