Karneval in Corona-Zeiten
"Wir müssen den Leuten zeigen, dass wir noch da sind!"

Blau-Weiß-Präsident Thomas Straßmann bei der Sessionseröffnung im November 2016 | Foto: Thomas Emons
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Mit ihren 250 Mitgliedern ist die KG Blau Weiß die mitgliederstärkste Karnevalsgesellschaft die Stadt. Als das vom Zweiten Weltkrieg schwer gezeichnete Mülheim noch in Trümmern lag, hoben närrisch gesonnene Kolpinggeschwister der Kolpingfamilien Broich-Speldorf unter der Führung ihres ersten Präsidenten Heinz Maaß eine Karnevalsgesellschaft aus der Taufe, die in einer Gaststätte an der Maxstraße ihre erste Karnevalssitzung feierte. Weil die dafür bestellten Narrenkappen nicht, wie gewünscht, in Weiß, sondern in Blau und Weiß geliefert wurden, nannte sich die neue Gesellschaft kurzerhand KG Blau Weiß. Seit dem ist keine Session vergangen, in denen die Blau-Weißen nicht für Stimmung im Straßen,- und im Saalkarneval gesorgt hätten. Doch in dieser Session, die Corona-Pandemie erfordert es, ist alles anders. Was sagt dazu der Präsident der zweitältesten Mülheimer Karnevalsgesellschaft, Thomas Straßmann. Ein Gespräch zwischen Wehmut und Hoffnung.
Schon vor dem Elften im Elften war klar, dass alle Karnevalsveranstaltungen aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden müssen. Wie fühlt sich das für einen Vollblutkarnevalisten an?
Straßmann: Das ist schon ein trauriges Gefühl. Ich gebe zu. Ich bin eine karnevalistische Rampensau. Und wenn man dann keine Rampe bekommt, ist das schon ein komisches Gefühl, vor allem am Samstagabend um 19.11 Uhr, als eigentlich unsere Sessionseröffnung im Herz-Jesu-Üfarrsaal an der Ulmenallee über die Bühne gehen sollte. Wir haben zwar zum 11.11. ein Video produziert, aber das kann keine Karnevalssitzung mit Publikum ersetzen.
Was fehlt uns, wenn uns der Karneval fehlt?
Straßmann: Die Geselligkeit und das Miteinander, dass eine echte Medizin ist, vor allem in einer Welt, in der manches drunter und drüber geht. Also ich kann echt abschalten und den Alltag vergessen, wenn ich Karneval feiere. Und das geht bestimmt vielen so wie mir.
Sie haben den Videofilm angesprochen, den Ihre Gesellschaft zum Sessionsstart ins Internet gesetzt hat. Was hat es damit auf sich?
Straßmann: Alles ist besser, als nichts zu machen.  Wir müssen den Leuten zeigen, dass wir noch da sind. Ich weiß gar nicht mehr, wer genau die Idee für das Video hatte. Aber sie entstand aus der ursprünglichen Idee, eine Karnevalssitzung via Livestream im Internet zu übertragen. Aber das stellte sich als technisch und finanziell zu aufwendig heraus. So haben wir einfach einen kleinen Videofilm gedreht, in dem Vereinsmitglieder zu Wort kommen und der Hoppeditz erwacht und sich wundert, dass niemand im Saal ist.
Wie oft ist das am 9. November eingestellte Video aufgerufen worden?
Straßmann: Bisher mehr als 8000 Mal. Mit einer so großen Resonanz hatten wir gar nicht gerechnet.
Dass wird sicher nicht das letzte Sessions-Video der KG Blau Weiß gewesen sein.
Straßmann: So ist es. Wer Lust und Zeit hat, sollte sich den 13. Februar (19.11 Uhr) vormerken. Dann werden wir wieder ein diesmal noch etwas umfangreicheres Video ins Netz stellen. Das kann zwar keine Prunksitzung im Altenhof ersetzen. Aber es ist vielleicht eine kleine Entschädigung für alle Karnevalsfreunde.
Wie wirkt sich der Corona-bedingte karnevalistische Totalausfall auf die Stimmungslage Ihrer Mitglieder aus?
Straßmann: Vor allem die jüngeren Mitglieder muss man schon bei Laune halten. Es ist schon schwierig einen Verein zu führen, wenn man noch nicht mal Trainingszeiten für den Musikzug oder die Tanzgarden anbieten kann. Da läuft man schon Gefahr, den einen oder anderen zu verlieren. Natürlich versuchen wir jetzt auf allen Kanälen den Kontakt zu unseren Mitgliedern zu halten und uns immer wieder in Erinnerung zu  bringen. Deshalb wäre es schon gut, wenn wir im Dezember wieder loslegen könnten.
Könnte der Karneval untergehen, wenn die Corona-Krise auch noch über das Jahr 2021 hinaus andauern sollte?
Ja. Die Gefahr besteht. Aber deshalb entfalten wir ja jetzt solche Aktivitäten, wie das jüngste Video, damit der Karneval nicht in Vergessenheit gerät. Und wenn es demnächst auch mit dem Impfstoff klappen sollte, können wir unseren Karneval zumindest ab 2022 wieder so feiern, wie wir das gewöhnt sind. vielleicht auch in etwas kleinerer Form und mit Abstandsregeln, obwohl diese Regeln gerade im Karneval ja eher kurios sind. Aber wenn das eben nur so gehen sollte, müssen wir es eben genau so machen.
Wie können die Karnevalisten emotional die Corona-geschädigte Session überstehen?
Straßmann: Wie viele andere Karnevalisten haben wir den 11.11. zuhause gefeiert und uns einen Livestream des Hauptausschusses Groß-Mülheimer Karneval angeschaut, in dem Ex-Prinz Dennis Weiler Musik aufgelegt hat und Vertreter der zwölf Mülheimer Karnevalsgesellschaften interviewte. Das war zwar kein Ersatz für eine Prinzenproklamation und ein Hoppeditz Erwachen. Aber es war ein kleiner Trost und hat Spaß gemacht. In dieser Richtung kann noch das eine oder andere aus dem Mülheimer Karneval kommen.
Kann der Karneval durch die Corona-bedingte Zwangspause vielleicht auch wieder eine Renaissance erleben, weil die Leute Nachholbedarf haben?
Straßmann: Das kann ich mir durchaus vorstellen, dass der Karneval nach einem Neustart, wenn wir wieder loslegen dürfen, noch einmal einen richtigen Schub bekommen könnte.

Zum Video der KG Blau Weiß

Zum Elften im Elften

Blau-Weiß-Präsident Thomas Straßmann bei der Sessionseröffnung im November 2016 | Foto: Thomas Emons
Blau-Weiß-Präsident Thomas Straßmann bei der 70. Prunksitzung seiner Karnevalsgesellschaft im Altenhof im Februar 2017. | Foto: Thomas Emons
Autor:

Thomas Emons aus Mülheim an der Ruhr

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