Wenig Raum für Musiker
„Ob piano oder forte, Töne sagen mehr als Worte“, spricht der Volksmund - und vernachlässigt dabei nur eine klitzekleine Nebensache: Musik braucht Raum. Im abstrakten Sinne, gewiss, aber eben auch ganz praktisch gesehen, denn wer sein Instrument liebt, der übt fleißig das Spielen - aber wo denn bloß? Wie schwierig sich eine Proberaumsuche für speziell Mülheimer Musiker gestalten kann, erfahren gerade Serenity Gray.
2001 gründete sich die junge Rock-Formation und steht mittlerweile als siebenköpfiges Akustik-Ensemble auf den Bühnen der Region. Zuletzt spielte die Band etwa bei den Mülheimer Heimathelden im Schloß Broich und sogar bei Bochum Total verzückte sie das Publikum. Auch am ersten richtigen Album wird derzeit heiß gestrickt. Doch bis der fette Plattendeal über die Bühne gegangen und die nächsten Gigs ausgehandelt sind, verschwinden Schlagzeug, Gitarren, Bass, Klavier und Cello im schlimmsten Falle erst einmal im Keller. „Das Gebäude, in dem wir spielen, muss saniert werden“, erklärt Gitarrist Paddy das aktuelle Dilemma.
Seit zwei Jahren proben die Jungs an der Aktienstraße, gegenüber der alten Feuerwache, und haben es dort richtig gut: Laminatboden, Fenster, zudem stört der Lärmpegel die Anwohner der ohnehin stark befahrenen und damit extrem lauten Hauptstraße sicher nicht. An anderer Stelle ungenutzte Büroflächen zu finden, das wäre deshalb perfekt, allgemein sollten jedoch zumindest einige Grundbedingungen erfüllt sein: „Zunächst einmal benötigen wir mit sieben Personen und den dazugehörigen Instrumenten Platz“, so Bandmitglied Paddy. Zwischen 30 und 45 Quadratmetern sollte der Raum da schon haben, natürlich zu einem fairen, für die Jungmusiker bezahlbaren Preis. „Und dann geht es eben nicht nur darum, keine Nachbarn mit unserer Musik zu belästigen, sondern eben auch selbst Ruhe zu haben, um unsere Stücke auch aufnehmen zu können“, wissen die Mülheimer. Denn bevor es für die Band überhaupt in ein Tonstudio gehen kann, gilt es, passable Hörproben abzuliefern und die für die Veröffentlichung geplanten Songs zu optimieren. Schließlich geht es logischer Weise nicht mit unfertigem Material ins Studio. Auch müssen die Probezeiten für die aufstrebende Band gesichert sein. „Am schönsten wäre es natürlich, immer Zugang zu dem Raum zu haben“, so Paddy, aber natürlich teilt man auch gern mit anderen Bands - solang feste Spielzeiten verhandelt werden und eben auch das teure Equipment sicher verstaut ist. Schließlich lässt sich ein Schlagzeug nicht so mir nichts, dir nichts regelmäßig auf- und wieder abbauen. Dafür ist man eben selbständig, bringt die gesamte Ausrüstung mit. Darüber hinaus sind nur noch Kleinigkeiten wichtig: Steckdosen sollten vorhanden und - mit den großen Instrumenten - nicht zu viele Stufen zu überwinden sein; trocken und beheizt – mehr braucht der Raum nicht zu sein.
Klingt nicht nach dem Luxuspenthouse mit Glasfront und Designermöbeln - dennoch müssen die Jungs ihre Suche immer mehr ausweiten: „Wir haben alles versucht, von persönlichen Kontakten über städtische Stellen, musikalische Einrichtungen bis hin zu Immobilienanzeigen und sogar -maklern, und das nicht nur in Mülheim sondern auch der Umgebung - aber alles erfolglos“, schütteln sie mittlerweile nur noch die Köpfe.
Das Problem kennt auch David Siewers vom Mülheimer Musikerstammtisch. „Es gibt diesbezüglich einen Engpass in der Stadt“, berichtet der Insider und verweist auf bessere Angebote für Musiker in umliegenden Städten, Essen und Duisburg etwa. Leerstände seien Vorhanden, aber viele Räume seien schlicht zu teuer, um als Proberaum genutzt zu werden. Wichtig sei es deshalb, neben den offiziellen Ausschreibungen vor allem Kontakte zu nutzen. „Wir bieten dazu Gelegenheit mit unserem Stammtisch“, erzählt er. Dort kommen Musiker aus Mülheim zusammen, vernetzen und helfen sich gegenseitig. Die Treffen finden an jedem dritten Dienstag im Monat statt, immer ab 19 Uhr im alten Schilderhaus an der Südstraße.
Das wohl attraktivste und darum leider stets vergriffene Angebot in der Stadt nennt sich „Halle 1“ und ist ein alter umgebauter Mannesmann-Hochbunker an der Zinkhüttenstraße/Ecke Sandstraße, welcher vom Immobilienservice als Rockbunker für den Mülheimer Kulturbetrieb angemietet ist. Neun Proberäume und ein Studio finden sich hier, je nach logistischen Möglichkeiten teilen sich zwei bis drei Bands meist einen Raum, so dass 22 bis 25 Bands aktuell unterkommen. Das Besondere: Das Proberaumzentrum ist auch gleichzeitig Kommunikationszentrum, im eigenen Café treffen sich die Musiker und planen sogar gemeinsame Veranstaltungen. Aber die Warteliste ist eben lang, momentan hoffen zwölf Bands auf ihre Aufnahme, aber nur selten werden tatsächlich Spielzeiten für die Nachrutscher frei. „Ich würde nicht unbedingt von einer Notsituation sprechen, aber einen weiteren Bunker dieser Art könnte man locker voll machen“, so Leiter Stephan Bevermeier.
Stadtpressesprecher Volker Wiebels verweist weiterhin auf Kontakte zu den Schulen, zudem stehe noch offen, was aus den zukünftig leerstehenden Schulgebäuden werde. Vielleicht eine kleine Chance, für die noch suchenden Bands? Allgemein sieht er die Stadt nicht unbedingt schlecht aufgestellt, was die Unterbringung von Musikern angeht, allerdings gelte es, die individuellen Bedürfnisse zu befriedigen – und da hätten es fortgeschrittene Bands eben deutlich schwerer als Anfänger. Hier stehe Michael Bohnes vom Kulturbetrieb den Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite; Kontakt unter Tel. 455-4107.
Darüber hinaus gibt es nur noch vereinzelte Anlaufstellen, dich sich vor allem für die „ersten Gehversuche“ eignen oder zielgruppenorientiert arbeiten: Die Musikschule kann mit den begrenzten Möglichkeiten nur die eigenen Bedürfnisse stillen; Jazzmusiker werden gefördert durch den Mülheimer Jazzclub an der Kalkstraße - hier stellt Manfred Mons (Tel. 373204) nicht nur Proberäume bereit, sondern greift jungen Künstlern in allen Belangen unter die Arme bis hin zu Auftritten vor Publikum. Einen festen und einen offenen Proberaum bietet das Städtische Jugendzentrum Café Fox in Broich, Holzstraße 70, wobei ersterer bereits von einer Band belegt und auch die Liste für den zweiteren stets prall gefüllt ist. Eigens für die dortige Musikjugend (unter 27 Jahre) hat man eine Grundausstattung angeschafft - Verstärker, Mikro, Schlagzeug. Und auch kleinere Auftritte werden den Bands dort ermöglicht. Momentan erfüllt man damit den (angemeldeten) Bedarf, bei weiteren Anfragen (unter Tel. 428710) müsse man sich arrangieren. Ähnlich läuft es auch im Kinder- und Jugendzentrum „Der springende Punkt St. Barbara“ in Dümpten, am Schildberg 93. Dort wird der ehemalige Diskokeller als Proberaum genutzt - den Umbau ermöglichte der Förderverein. Auch hier steht eine Grundausstattung zur Verfügung, eigenes Equipment kann im verschlossenen Raum (aber auf eigenes Risiko) gelagert werden. Die Belegung erfolgt über eine Liste, in der vor allem im Nachmittagsbereich noch Plätze offen sind. Die Miete beträgt maximal 25 Euro pro Monat. Küster Burkhard Kölsch ist hier Kontaktperson unter Tel. 73717.
Wer Serenity Gray unterstützen kann oder generell Proberäume für die Mülheimer Musikszene bereitstellen möchte, schreibt eine Email an redaktion@muelheimerwoche.de oder erreicht die Redaktion telefonisch unter 45958-31.
Übrigens: Serenity Gray suchen nicht nur einen Proberaum, sondern auch Verstärkung: Um ihren „Gitarren-Rock im Akustik-Gewand, verschmolzen mit melancholischem Pop, getragen von melodieverliebtem Gesang“ - wie die Band selber es nicht besser beschreiben könnte - zu unterstützen, wird derzeit ein neuer Cellist (oder gern auch eine sympathische Cellistin) gesucht. Bewerber sollten etwa zwischen 20 und 30 Jahre alt sein, ihr Instrument beherrschen und auch schon erste Bühnenerfahrungen gesammelt haben - wenn es auch nur kleine Auftritte waren. Neben dem musikalischen Talent sind Kreativität, Experimentierfreude und natürlich Teamfähigkeit gefragt. Wer interessiert ist - oder einen Proberaum zur Verfügung stellen kann, kontaktiert Patrick „Paddy“ Sanders unter Tel. 0178/7635543 oder sendet eine Email an info@serenitygray.de. Wer schlicht mehr Infos zur Gruppe erhalten oder in die Musik hineinhören mag, kann dies unter www.serenitygray.de oder www.myspace.com/serenitygray. Am Samstag, 25. September spielen sie auch wieder in Mülheim, auf der Freilichtbühne an der Dimbeck; Beginn 17 Uhr; Eintritt frei.
Autor:Sara Drees aus Dortmund |
1 Kommentar
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.