Was SOL das THEATER AN DER RUHR? Über ein kulturelles Trauerspiel
Was ist das Wesen einer unwiederbringlich verpassten Chance?
Es gibt sie nicht wieder.
Und genau das droht der Mülheimer Kulturszene, wenn das geschieht, was ihr derzeit droht: Der unwiederbringliche Verlust der SOL Kulturbar.
Es ist über dieses Thema bereits Vieles geschrieben und gesagt worden, die Fronten sind verhärtet, das Problem nicht neu.
Und doch mahnt die bevorstehende Entscheidung über den Verbleib oder die Abschaffung der Kulturbar zum genauen Hinschauen und zum Eingreifen. Denn es geht im Kern um etwas, dass für diese Stadt von großer Wichtigkeit ist: Stil. Außenwirkung. Attraktivität. Kultur!
Die Hintergründe sind an anderen Stellen häufiger geschildert worden. Es geht um den Pachtvertrag für die SOL Kulturbar, deren Standort in Sichtweite des Theaters an der Ruhr den dortigen Betreibern offenkundig ein Dorn im Auge ist.
Den Betreibern der Kulturbar ist nach zähem Ringen das gelungen, was ihren Vorgängern verwehrt blieb: Aus dem Standort einen höchst attraktiven Spielort für Musik zu machen, die ohne Übertreibung in allen Fällen mindestens von regional bedeutsamen Musiker/-innen dargeboten wird, nicht selten sogar von Künstlern und Bands von landesweitem oder gar internationalem Format.
Eigentlich müsste die Nähe zum Theater an der Ruhr kein Problem darstellen. Eigentlich müssten sich diese beiden Parteien doch wunderbar ergänzen können.
"Eigentlich" ist aber nie "tatsächlich" geworden.
In Wahrheit trennt die Häuser viel mehr als die Entfernung weniger Meter.
Die Möglichkeiten der SOL Kulturbar sind deutlich eingeschränkt, sofern es im Theater eine Aufführung gibt. Ein Soundcheck für die Band ist nur bis zur Öffnung des Theaters denkbar, Konzerte können erst nach Ende der dortigen Vorstellungen beginnen. Darauf wird in der Kulturbar peinlichst genau, ja fast besorgt geachtet.
Sicher würde je nach Lautstärke eines Konzertes manches in den Theaterbereich hinüberklingen. Ruhige Passagen eventuell stören.
Soweit, so gut.
Thema beendet?
Mitnichten.
Die Kulturbar soll weichen.
Trotz der einengenden, aber akzeptierten Zugeständnisse.
Doch was wäre die Folge?
Ein dem Theater zugehöriges Café? Wie gesagt: Mehrere Betreiber sind bereits gescheitert. Der Standort liegt sehr beschaulich/schön - Laufkundschaft ist aber nahezu ausgeschlossen. Es müssten also zahlreiche Theaterbesucher den Weg finden, um für eine akzeptable und sich rechnende Auslastung zu sorgen.
Das könnten eben diese Personen ja bereits jetzt tun. Das ist aber nicht der Fall.
Die Befürchtung ist groß, dass es letztlich statt eines mittlerweile gut funktionierenden Kulturzentrums mit zahlreichen Veranstaltungen eine gepflegte Caféhaus-Leiche gäbe, so aufgesetzt schick und aus der Zeit gefallen wie Oma's alter Nerzmantel.
Es geht mir nicht um Feindbilder.
Prinzipiell könnten beide Häuser nebeneinander bestehen.
Es wird aber generell Zeit, dass endlich Schluss ist mit der immer wieder spürbaren Unterscheidung zwischen der als wertiger erachteten Kultur (Klassik, Theater) und dem (aus der Sicht vieler Kulturpolitiker) popeligen Rest.
Clubs, die ein solch vielfältiges und qualitativ hochwertiges Programm bieten wie die SOL Kulturbar, sind in der gesamten Region an den Fingern einer Hand abzuzählen. In Mülheim gibt es nur diesen einen.
In dieser Problemsituation manifestiert sich die Frage, ob Mülheim Vielfalt oder Einfalt möchte; Gastwirtschaft oder Vetternwirtschaft; Offenheit oder Elitarismus.
Es ist also ganz gewiss nicht "egal", was dort passiert.
Das ist in der Musikerszene deutlich zu spüren und zu vernehmen.
Und es ist zu hoffen, dass es in der Mülheimer Bevölkerung, der (Kultur-)Politik und der Presse auch vernommen wird.
Das Theater an der Ruhr erhält Fördermittel und erfährt dadurch Sicherheit genug.
Die SOL Kulturbar, deren Außenwirkung weit breiter gestreut sein dürfte, braucht die Unterstützung vieler.
Damit nicht eine von beiden Seiten in diesem Konflikt gewinnt, sondern alle: Das Theater, weil ihm nichts verloren geht. Die SOL Kulturbar, weil sie weiter existieren kann. Die gesamte Kulturszene, weil sie von beidem profitiert. Und Mülheim, weil Weitblick und Qualität über Provinzialität siegen würde.
Deshalb: SOL soll bleiben!
Über mich:
Ich selbst bin seit fast 30 Jahren Musiker und Bandleader (R.L.Madison; New Incident) und gelegentlich Konzertveranstalter.
Es bedeutet nicht zwangsläufig, dass ich für die SOL Kulturbar Partei ergreife, weil ich in den letzten anderthalb Jahren dort zweimal gespielt habe.
Es gibt keinerlei private Verbindungen zu den beiden Parteien. Ich habe als Besucher an Veranstaltungen beider Häuser teilgenommen. Meine Überzeugung ist, dass es hier kein "entweder oder", sondern ein "und" geben sollte, die "Hochkultur" aber eine einflussreichere Lobby besitzt und dadurch die Ausgewogenheit in der Berichterstattung gelitten haben mag.
Autor:Frank Bird Steppuhn aus Duisburg |
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