Vom König und anderen Despoten - Jelineks "Am Königsweg" begeistert das Publikum

Oberflächlich war es eine herrliche Trump-Parodie, doch "Am Königsweg" geht tiefer. | Foto: www.stuecke.de/Arno Declair
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  • Oberflächlich war es eine herrliche Trump-Parodie, doch "Am Königsweg" geht tiefer.
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Aufregung und Verzweiflung, Ärger und Faszination, Erkenntnis und Sinnsuche – In gut dreieinhalb Stunden erlebten die Besucher der Stücke 2018 am Samstag, 26. Mai, ein Wechselbad der Gefühle. Elfriede Jelineks „Am Königsweg“ war das vierte Stück, das bei den diesjährigen Mülheimer Theatertagen ins Rennen um den Dramatikerpreis ging. Und es verlangte Schauspielern wie Zuschauern alles ab!

Von Andrea Rosenthal

Mit „Am Königsweg“ in einer Inszenierung des SchauSpielHaus Hamburg ist Elfriede Jelinek bereits zum 19. Mal für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert, bereits viermal konnte sie die angesehene Auszeichnung gewinnen. Entsprechend hoch waren die Erwartungen beim Publikum. Und wie so oft bei Elfriede Jelinek gingen die Meinungen nach dem letzten Vorhang weit auseinander.

Die Autorin hat ein hoch aktuelles Thema aufgegriffen. Es geht um Machtergreifung und Machterhalt. Der König in ihrem Stück trägt viele Namen, hat viele Gesichter, doch alle seine Wesenszüge sind dem politischen Beobachter bekannt. Ohne den Namen zu nennen, erinnert der rücksichtslose, narzistische, twitternde König an Donald J. Trump. Das Volk gab ihm die Stimme, um danach kein Gehör mehr zu finden. Die Wahrheit ging verloren. Die Schauspieler stellen fest: „Der König zeigt dem Volk, was es sehen soll, nämlich ihn und sonst niemanden und nichts.“

Vielschichtiges Stück

Jelineks Stück als pure Trumpkritik zu lesen, wäre zu einfach und würde der Tiefe des Textes nicht gerecht. Das verhindert Regisseur Falk Richter auch gekonnt durch sein Bühnenbild, moderne politkritische Lieder und Einspielfilme, die lange parallel zu den Dialogen im Hintergrund laufen.

Da erscheint sie, die Welt wie sie ist, mit Kriegen, Hass und Umweltzerstörung, Hunger, Leid und oberflächlichem Sex. Und es rasen Bilder der aktuellen Despoten über die Leinwand: Trump, Kim Jong Un, Erdogan und Putin. Hinzu kommen Unterstützer oder die Regierenden, die das Unrecht nicht verhindern. Unzählige Eindrücke prasseln gnadenlos auf das Publikum ein, Bilder im Sekundentakt, laute Musik und Geräusche der Zerstörung. Und dagegen brüllen die Schauspieler ihre Botschaften in die Ränge, versuchen verzweifelt sich Gehör zu verschaffen. Nahezu genial, wie die Inszenierung die Botschaft des Textes unterstützt.

Verantwortung der Sprachlosen

Eingangs fragt sich die blinde Seherin: „Von wem will ich da überhaupt sprechen, darüber muss ich mich mit mir selbst verständigen. Erstmal würde sich ja Schweigen anbieten, das wäre mir lieber, es macht keine Arbeit. Blind sein: auch sehr praktisch.“ Wie ein roter Faden ziehen sich Blindheit und Sprachlosigkeit durch das Stück. Das Volk ist verstummt und entsetzt angesichts des Herrschers, den viele gewählt haben, aber so niemand gewollt hat.

Die Schauspieler des Hamburger Ensembles schafften es, das Theaterpublikum aus der Zuschauerrolle hinauszuholen, es wurde zum Teil des ohnmächtigen sprachlosen Volkes. Falk Richter bemühte mehrere Erzählebenen. Die Taten des Königs und seiner Untertanen wurde vom Balkon beobachtet von Mitgliedern der Muppetshow wie Kermit, dem Frosch, und den grantelnden Alten, Waldorf und Statler. Von einer Publikums Loge gab ein Kasperl seine Kommentare ab und auch die Migrantin Aische, die die Zuschauer direkt ansprach, hob die Dialoge immer wieder auf eine neue Bedeutungsebene. Wie mit einem Spiegel zeigte Jelinek den Zuschauern mit „Am Königsweg“ ihre Verantwortung für das Weltgeschehen.

Nach dreineinhalb Stunden endet die szenische Anklage im deprimierenden Monolog der blinden Seherin: „Irgendwer hat gesprochen, wir haben es nicht gehört, aber einer muss es gesagt haben: weg mit ihm, weg mit dem Wort, wir wählen lieber ein anderes Wort, damit wir auch das verlieren. Wir haben bereits alles verloren, jetzt gehen uns auch noch die Worte aus.“ Und so hinterließ Elfriede Jelinek das Publikum in Mülheim: sprachlos und verwirrt, aber unglaublich fasziniert von der Macht der Inszenierung. Keine leichte Theaterkost, aber ein Abend, der sich gelohnt hat.

Oberflächlich war es eine herrliche Trump-Parodie, doch "Am Königsweg" geht tiefer. | Foto: www.stuecke.de/Arno Declair
Regisseur Falk Richter (2. v.l.) und das Ensemble des SchauSpielHaus Hamburg wurden mit donnerndem Applaus für die mitreißende Inszenierung belohnt. | Foto: www.stuecke.de/Marie-Luise Eberhardt
Autor:

Andrea Rosenthal aus Mülheim an der Ruhr

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