St. Martin in Mülheim
Ssinter Mätes Vögelsches Pferdefuß
(Hinweis: Wir schreiben das Sinter beim „Sankt-Martin-Vögelchen“ im Platt mit Doppel-s, um daran zu erinnern, dass das s am Wortanfang fast immer wie ein ß ausgesprochen wird. Seit es ein großes ß gibt, wäre ẞinter Mätes noch klarer.)
Damit kein Missverständnis aufkommt: Wir Mülheimer sollten die Tradition unseres Martinsliedes „Ssinter Mätes Vögelschen“ weiterhin pflegen. Dabei dürfen wir im Vorfeld des Martinstages auch einmal Hintergründe des Textes aufklären, sozusagen hinter die Kulissen schauen. Da ist z.B. der ominöse „Padsfoot“, der Pferdefuß, der am Ende des Mölmsch-Platt-Textes erscheint. In christlicher Tradition ist der Pferdefuß das Erkennungszeichen des Teufels. Aber auch andere Deutungen sind möglich.
Sulpicius Severus ist der erste Biograph des Martin von Tour. Er hat ihn noch persönlich gekannt. Wenn man diesen Zeitzeugen liest, bekommt man ein anderes Bild vom heiligen Martin als die meisten es seit Kindestagen in sich tragen: Der Mantelteiler auf dem weißen Pferd weicht schnell einem umfassenderen Lebensbild als Klostergründer, Missionar, Kirchenorganisator, ja, als „Karl der Große der Kirche“. Man zähle nur die Gotteshäuser in Europa, die nach ihm benannt sind.
Bei Sulpicius Severus findet sich übrigens kein Hinweis darauf, dass Martin die Mantelteilung von einem Pferd aus vornahm. Dieses Bild aber war bei der Mission der Germanen sehr vorteilhaft, da Wodan, also der Chefgott der Germanen, mit seinem achtbeinigen weißen Pferd Sleipnier in deren Vorstellung fest verankert war. ( Schimmel = heiliges Pferd!) Auch Wodan/Odin wollte ausdrücklich, dass man den Kindern etwas gibt.
So gesehen ist "padsfoot" schon gleich dreifach zu interpretieren:
1. Als Pferdefuß des Teufels, den man milde stimmt, indem man den Kindern etwas gibt.
2. Als generelles Gebot des berittenen Wodan, den Kindern etwas zu geben!
3. Als Anspielung auf Wodans Fußheilung - wie in den 2. Merseburger Zaubersprüchen (Literaturdenkmal!) und damit ein Hinweis auf Unfallverhinderungszauber durch Gaben an die Kinder.
Manche Autoren wie C.Vossen behaupten, das Martinsbrauchtum sei besonders in den Gegenden heute noch lebendig, wo es in germanischer Zeit besonders intensive Verehrung für Wodan/Odin gab. Dies würde manches erklären. So z.B. warum in Frankreich ein Martinsbrauchtum außerhalb der Kirche weitgehend unbekannt ist. Umgekehrt müssten dann in Flandern, am Ijsselmeer, in Groningen und am Niederrhein die Wodan-Zentren gewesen sein. Bestätigung dafür findet man in der Tat bei Durchsicht zahlreicher Internet-Beiträge unter dem Suchbegriff „Wodan“ (Achtung! Hier sind auch zahlreiche rechte „Germanisten“ unterwegs)
Damit wird auch in Bezug auf das SMV deutlich, dass es sich um eine Umdeutung, eine Umwidmung handeln könnte.
Zu erinnern ist in dem Zusammenhang auch an den Widerstand der Friesen und Sachsen gegen die Christianisierung. Dies könnte z.B. zur Folge gehabt haben, dass nach erfolgter Missionierung mehr Zugeständnisse als anderswo an den Volksglauben gemacht wurden (werden musste) oder dass sich in diesen Gebieten die Erinnerung daran (im Untergrund) einfach länger hielt und schließlich, vielleicht erst im Mittelalter, einen Ausdruck fand in der Symbiose von germanischem Volksglauben und Christentum.
Autor:Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr |
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