Schloß Broich sucht Edelleute
„Swer an rehte güete wendet sin gemüete, dem volget saelde unde ere“, lauten die Eingangsverse im „Iwein“ des Hartmann von Aue. Der Dichter des 13. Jahrhunderts fordert die Ritter auf, Güte walten zu lassen. Denn nur so erlangen sie wahre Tugend und Ehre.
Und just rund 800 Jahre nach diesen Versen benötigt nun Mülheims ältestes Gebäude, das Schloß Broich, eben auch ein Quentchen Güte. Die ehemalige Festung, die schon zu Hartmanns Zeiten nicht mehr die Jüngste war, braucht die zitierte Güte in Form von finanzieller Unterstützung. Allerdings sind heute nicht allein die Ritter gefordert, sondern jeder, dem das alte „Gemäuer“ am Herzen liegt. Die Wurzeln des Schlosses reichen bis ins neunte Jahrhundert zurück. Seitdem erfuhr die Burg immer wieder Erneuerungen.
Doch weniger an den Steinen nagt der Zahn der Zeit, „es ist der Mörtel“, sagt Dr. Ägidius Strack. Spricht‘s, kratzt mit dem Finger in einer Fuge und schon rieselt es. Und zwar Sand. Von Mörtel keine Spur mehr. Den Sandsteinblöcken der bis zu vier Meter dicken Mauern fehlt zunehmend der Halt. Dick und wuchtig sicherten sie das Schloß Broich und ihre Bewohner über Jahrhunderte. Doch nun drohen sie zu wanken. Der Mörtel, der die festen Ruhrsandsteinblöcke zusammenhält, zersetzt sich zunehmend.
Nur ein vorsichtiges Auffüllen mit Naturmörtel und anschließender Verfugung kann die Festigkeit der dicken Mauern für die nächsten Jahrhunderte sichern. Und wie schön das alles aussehen kann, zeigt die inzwischen „entrüstete“ Fassade des Süd-West-Turmes. Sie ist fast saniert, aber eben nur fast. Denn die Sanierung eines Denkmals ist immer auch ein Abenteuer. Ein „aventiure“, wie Hartmann von Aue es bezeichnet hätte.
Am Fuße des Turmes, der um 1400 entstand, stoßen die Sanierer plötzlich auf ein kleines Loch. Alte Ziegelsteine treten zutage. Die Denkmalpflege wird eingeschaltet. „Was genau das ist, müssen die Archäologen sagen“, stellt Dr. Ägidius Strack fest. Er vermutet, dass es sich um eine Entwässerungsrinne handelt. Was auch immer es ist, die Lücke verzögert die Vollendung der Sanierung an dieser Ecke.
Aber auch an den übrigen Mauern nage es im Inneren gewaltig, sagt Strack. Er ist der Experte, der die Sanierung leitet. An der südöstlichen Ringmauer zeigt er auf ein 15 Meter langes und ein zwölf Meter hohes Mauerstück: „Rund 23 Tonnen Mörtel haben wir allein hier mit geringem Druck in die Lücken gepresst“, erklärt er. Und das ist nur ein kurzes Stück. Viele Meter fehlen noch und die Finanzierung der weiteren Rettungsmaßnahmen ist noch nicht gesichert.
Zwar flossen bislang auch Bundesmittel aus Denkmalschutztöpfen, die die ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete Ulrike Flach öffnete. Doch ob es weiter Gelder vom Bund gibt, ist noch ungewiss - ein weiteres „aventiure“ hätte Hartmann wohl gesagt.
Rund 3,2 Millionen Euro fehlen der derzeitigen „Schloßherrin“, Inge Kammerichs, Geschäftsführerin der Mülheimer Stadtmarketing und Tourismus GmbH (MST). Sie hofft nun auf das Engagement der Mülheimer.
Mit der Aktion „Schlossretter gesucht!“ können Privatleute und Firmen eben jene „güete“ zeigen, die Hartmann dereinst den Rittern ins Stammbuch schrieb.
Dabei ist jede finanzielle Unterstützung, als Spende oder in Form einer Aktion willkommen. „Wir bitten alle Mülheimer, gemeinsam mit uns das wichtigste historische Gebäude Mülheims für viele nachfolgende Generationen zu bewahren“, sagt Kammerichs.
Und anders als in den Rittergeschichten von einst folgen „saelde und ere“ nicht erst nach bestandenen Abenteuern. Wer sich finanziell beteiligt, erhält nicht nur eine Spendenquittung. Jeder Spender wird, ohne Angabe der Summe, in die öffentliche Retterchronik aufgenommen, wenn er es möchte, und kann so in die Annalen des Schlosses eingehen.
Spendenvordrucke liegen ab sofort in allen öffentlichen Gebäuden, in Kreditinstituten und der Touristinfo am Synagogenplatz aus. Weitere Infos sind in wenigen Tagen auch im Internet auf www.schloss-retter.de zu finden.
Spenden können unter folgendem Kassenzeichen, das ausschließlich für die Sanierung des Schlosses eingerichtet wurde, auf das Konto der Stadt eingezahlt werden:
Stadt Mülheim an der Ruhr
IBAN: DE78 3625 0000 0300 0001 00
BIC: SPMHDE3EXXX
Verwendungszweck: Kassenzeichen 9900000002249
Denkmalschutz
Autor:Dirk-R. Heuer aus Hilden |
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