"SchlimmCity"-Initiator Holger Bergmann im Interview
Wer die Dezentrale, das sogenannte Hauptquartier, von „SchlimmCity“ betritt, den erwartet eine rundum einladende Atmosphäre. Denn strahlend weiße Sitzecken und Berge überdimensionaler Kissen bieten dort Zeit und Raum zum Relaxen.
Inmitten dieser angenehmen Umgebung befindet sich auch Holger Bergmann. Der Mann, der als künstlerischer Leiter das Stadtspiel in Realversion, „SchlimmCity“ ins Leben gerufen hat. Ruhig, entspannt und stets mit einem Lächeln auf den Lippen beginnt er zu erzählen. Über positive Energien, das Prinzip des Scheiterns und eine willkürliche Überforderung.
Mülheimer Woche: Herr Bergmann, hat „SchlimmCity“ eine Chance zum Spiel des Jahres gewählt zu werden?
Holger Bergmann: „Spiel des Jahres? Das sollen andere entscheiden (lacht). Aber im Ernst, dem Team, den Künstlern und auch den Besuchern gefällt es wirklich gut. Der Zuspruch überwiegt mittlerweile. Es überzeugt einfach, bestimmte Dinge mal anders zu sehen und einen anderen Zugang zu ihnen zu finden. Auch die Hemmschwelle ist bei uns kleiner als in einem Amt. Die Leute kommen zu uns in die Dezentrale, stellen Fragen zum Projekt oder wollen ein paar Worte wechseln.“
Hätten Sie diese Resonanz im Vorfeld so erwartet?
„Ich bin eher positiv überrascht. „SchlimmCity“ verstrickt die Leute aus der Virtualität wieder zurück in die Realität. Das erzeugt positive Energien. Hier herrscht überall eine gute, kreative Atmosphäre. Es gibt keine Situation, in der sich jemand unwohl fühlt. Zuletzt besuchte uns eine Schulklasse, die im Parkhaus Minigolf gespielt hat. Es waren natürlich auch Veranstaltungen dabei, die nicht so gut besucht waren. Aber es geht bei „SchlimmCity“ ja nicht um ein Massenevent, sondern ums Nachdenken.“
Wie sind Sie überhaupt auf den Gedanken gekommen, „SchlimmCity“ als Spiel aufzuziehen?
„Die Überlegung eines gemeinsamen Nachdenkens stand im Vordergrund. Das Prinzip des Scheiterns war dabei eine wichtige Arbeitsmethode. Etwas zu tun, bei dem man von vorneherein weiß, es funktioniert, ist immer möglich. „SchlimmCity“ ist eine Veranstaltung, bei der eigentlich nicht klar ist, was gemacht wird. Wir wollen mit unbekannten Sachen Neugier erwecken. Die Spielregeln sollen selbst erarbeitet werden. Das geht natürlich mit einer gewissen Überforderung einher. Die Freude ist jedoch nachher umso größer, wenn man jene überwunden hat.“
Sie selbst nehmen auch aktiv an Aktionen teil. Zum Beispiel am virtuellen Match „C‘est la wii“. Können Sie erklären, was es damit auf sich hat?
„Das ist ein Gespräch über verschiedene Dinge aus der Realität, bei dem nebenbei ein Wii-Spiel gespielt wird, für das sich jeder selbst eine kleine Figur baut. Am heutigen Samstag wird mein Redepartner der Dramatiker und Regisseur Dirk Laucke sein. Wir sprechen darüber, wie wir das Internet nutzen und ob es eher einer Kapital- oder Widerstandsstrategie unterliegt. Diese Aktion liegt jenseits einer normalen Talkrunde. Wir machen uns dabei natürlich auch - im positiven Sinne - manchmal richtig zum Affen (lacht).“
Glauben Sie das „SchlimmCity“ in den Köpfen der Menschen etwas verändern wird?
„Das Spiel kennzeichnet die Stadt nach außen hin als besondere Stadt. Daher wird es in der Kultur, bei den Künstler, aber auch bei der Stadtplanung einiges hinterlassen. Die Stadt zeigt sich damit in gewisser Weise selbstironisch. Dies stärkt sie aber auch in der Substanz ihres Profils. Mir liegen auch Rückmeldungen, unter anderem aus dem NRW-Kultursekretariat vor, die besagen, dass es ein mutiger, offener und kreativer Prozess sei, den die Stadt dort begehe.“
Stichwort Nachhaltigkeit. Wird es zukünftig weitere Aktionen dieser Art geben?
„Wir werden das Projekt auf jeden Fall aufarbeiten. Es wird ein „SchlimmCity-Tagebuch“ geben. Ein Jahr nach der Kulturhauptstadt wollen wir mit Künstlern aus der Region den aktuellen Kreativitätsbegriff hinterfragen und eine neue Form künstlerischer Kreativität einfordern."
"C'est la wii"
- „C‘est la wii“, virtuelles Match an der Konsole mit Holger Bergmann: Samstag, 1. Oktober, 17 Uhr, mit Dirk Laucke und Samstag, 8. Oktober, 17 Uhr, mit Kay Shanghai, jeweils in der Dezentrale (ehemaliger Kaufhof). Eintritt: 100 „SchlimmCity-Doller“.
Autor:Nina Heithausen aus Bottrop |
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