Satirische Alchemie

Das Theater an der Ruhr. | Foto: Archiv
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Längst hat die katholische Kirche ihre Unschuld verloren. In den Medien bestimmen nicht zuletzt die Missbrauchsfälle der vergangenen Jahre die Schlagzeilen. Auch das Theater an der Ruhr scheut vor einer Auseinandersetzung mit dieser Thematik nicht zurück.
Schon in den 1980er-Jahren habe man überlegt, Oskar Panizzas Stück „Liebeskonzil“ aufzuführen, erklärt Roberto Ciulli, künstlerischer Leiter im Theater an der Ruhr. Doch erst jetzt schien die Zeit reif zu sein für das 1894 erschienene Stück, das zugleich als scharfe Satire als auch als juristische Geschichte verstanden werden darf. Weil am päpstlichen Hofe unter Alexander VI. in Italien zu Ende des 15. Jahrhunderts ein lasterhaften Treiben herrscht, werden die Sünder mit der Syphilis bestraft. Und Oskar Panizza, 1853 in Bad Kissingen geboren, mit Gefängnis, wurde die Himmelstragödie doch gleich nach Erscheinen zensiert.
Mehr als 100 Jahre später hat sich Thomaspeter Goergen des Stückes erneut angenommen und das „Liebekonzil“ für die Bühne im Mülheimer Theater inszeniert. „Aber musste es denn sein, dass man die Tragödie allein aufführt?“, fragte sich Ciulli. Schließlich enthalte sie nicht mehr als Kritik an der katholischen Kirche und historische Geschichte. „Panizza beschriebt einfach nur, das allein ist langweilig.“ Was fehlte war etwas handfestes, konkretes. Es musste eine tatsächliche Institution her, an der sich die Menschen orientieren konnten - wie ein weltliches Gewölbe im starken Kontrast zu Panizzas himmlischem Gewölbe. Und so bediente sich Goergen der „Pfarrhauskomödie“ des 1881 in Vilshofen an der Donau geborenen Kabarettisten und Autors Heinrich Lautensack. „Ich gebe zu, wir kannten Lautensack anfangs nicht, waren uns aber, nachdem wir das Stück über die (Nicht-)Einhaltung des Zölibats gelesen hatten, sicher, dass es in der Koppelung mit Panizzas Tragödie bestens funktioniert“, meint Ciulli.
Und so fasste Thomaspeter Goergen beide Texte zusammen. Das Ergebnis ist eine provokante Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche, die, wie der künstlerische Leiter Helmut Schäfer betont, in den Dramen dekadent, ja fast schon depraviert dargestellt sei. Eine Institution, die Angst mache, der die Dogmenlehre wichtiger sei als die Menschlichkeit, heißt es weiter. „Dabei übt ‚Liebeskonzil‘ keine Kritik am Glauben selbst aus oder fordert zu Atheismus auf. Einzig die Institution Kirche steht in der Kritik“, stellt Ciulli klar. „Es kann eher als Plädoyer für eine andere Art der Kirche verstanden werden.“ Dem schließt sich auch Gorgen an: „Kirche und Glaube werden in dem Stück herausgefordert. Forderungen und Entscheidungen sollen aus der Menschlichkeit und nicht aus den Dogmen heraus getroffen werden“.
Zur Premiere kommt „Liebeskonzil“ am kommenden Mittwoch, 15. September, 19.30 Uhr, im Theater an der Ruhr, Akazienallee 61. Die Karten kosten 21, ermäßigt 10 Euro und sind unter Tel. 59901-88 erhältlich. Weiterhin werden im Theater an der Ruhr „Der Kaufmann von Vendig“ gezeigt, der im Jahr 2000, damals noch in der Stadthalle, Premiere feierte, außerdem „Der kleine Prinz“, „Die Dreigroschenoper“, „Fassbinder“ und „Sirenengesang“. Neu im Angebot sind Führungen mit Roberto Ciulli, die jeden ersten Sonntag im Monat. erstmals am 3. Oktober, um 11 Uhr stattfinden.

Autor:

Lisa Peltzer aus Oberhausen

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