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Landschaft mit Ikarussturz

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Liebe Michlesende! 
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Landschaft mit Sturz des Ikarus

Ich weiß nicht, wie ich‘s sagen soll. Ich hab da ein Bild gesehen, und das lässt mich nicht mehr los. Angeblich soll es von Pieter Bruegel sein, aber da sind sich die Experten nicht einig. Eine Meereslandschaft von einer Höhe herab gesehen, wo im Vordergrund ein Bauer hinter einem Pflug herläuft, etwas weiter unten starrt ein Schäfer in die Luft, unten fährt gerade ein Schiff auf’s Meer hinaus und ganz hinten am Horizont geht die Sonne auf oder unter, ja, und dann entdeckt man, rein zufällig, die strampelnden Beine in der unteren rechten Ecke, zumindest eines davon.
Federn rieseln darüber herab. Jetzt schaut man sich doch mal den Titel genauer an. „Landschaft mit dem Sturz des Ikarus“. Wo aber ist Daedalus, der Vater?
Es gibt tatsächlich eine Version des Bildes, da sieht man ihn links von der Mitte oben über dem jetzt unmotiviert gaffenden Schafhirten noch fliegen. Man kennt die griechische Sage von Daedalus und Ikarus, wo der Sohn auf der Flucht abstürzt, weil er mit seinen Federn, die mit Wachs befestigt sind, zu nah an die Sonne kommt. Der Vater, Flugzeugkonstrukteur würde man heute sagen, hat ihn noch gewarnt. Das Faszinierende an diesem Bild ist diese nichtsahnend friedliche Meereslandschaft, wo jeder stur seinen Beschäftigungen nachgeht, sich um nichts weiter kümmert und der Absturz des Ikarus, von dem nur noch die Beine zu sehen sind, rein gar nichts verändert. Er findet hier tatsächlich nur am Rande statt. Da, wo selbst der Angler in Ufernähe nur seiner Angel Aufmerksamkeit schenkt.
Und dieses Bild hängt in einem Kunstmuseum in Brüssel und darauf nimmt u.a. Bezug ein Dichter namens Auden. Dessen Gedicht wiederum wird erwähnt in einer Glosse der Süddeutschen Zeitung vom 11. Dezember 2022. Ja, und die habe ich gelesen und natürlich gleich nachgeschaut, wie dieses berühmte Bild wohl aussehn mag. Und jetzt lassen mich diese strampelnden Beine nicht mehr los, und das liegt wiederum an der Ruhe, die dieses Bild trotz der strampelnden Gliedmaßen aussendet. Natürlich denkt man über die Symbolik nach, über die Warnung des Konstrukteur-Vater, der in einer Variante des Bildes tatsächlich dort schwebt, wohin der Schäfer blickt. Aber immer strampeln die Beine seines Sohnes im Wasser und es rieseln Federn auf die Einschlagstelle, wenn man das so sagen darf.

Foto: Hans Thoma: Ikarus 1902, leicht verändert

Als moderne Nachricht hat das denn auch Thomas Krüger so zusammengefasst: „„Nach dem Start von der Insel Kreta geriet der Flieger über dem Ikarischen Meer plötzlich außer Kontrolle. Die Maschine erreichte aus unerklärlichen Gründen eine Flughöhe, für die ihre Tragflächenkonstruktion nicht ausgelegt war. Reibungs- und Sonnenhitze lösten die mit Wachs zusammengehaltenen Federn. Der Absturz war unvermeidlich.“
Und immer noch ist der Mensch kein Vogel, immer noch stürzen Menschen in Flugzeugen ab. Flugzeuge, die erheblich zur Klimakatastrophe beitrugen und beitragen. Aber niemand schaut hin.

Hier geht's zum Bild: (falls es funktioniert, sonst bitte unter dem Titel "Landschaft mit Sturz des Ikarus" selbst suchen, danke!)

Foto: Hans Thoma: Ikarus 1902, leicht verändert
Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

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