Begeisterungsstürme bei den Stücken 2019
Konstantin Küspert traf mit „Der Westen“ den Nerv des Publikums

Die Helden der Kindheit verkörpern das Streben nach Freiheit, Glück, Liebe, Geld und Unbesiegbarkeit. Konstantin Küspert lässt sie alle scheitern. | Foto: Martin Kaufhold
  • Die Helden der Kindheit verkörpern das Streben nach Freiheit, Glück, Liebe, Geld und Unbesiegbarkeit. Konstantin Küspert lässt sie alle scheitern.
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Donnernder Applaus, begeistertes Fußtrampeln und zustimmende Pfiffe – nach zwei Aufführungen des ETA Hoffmann Theaters Bamberg von Konstantin Küsperts „Der Westen“ scheint sich ein erster Favorit für den Mülheimer Dramatikerpreis 2019 heraus zu kristallisieren.

Von Andrea Rosenthal

Ganz nah dran am Stoff war das Publikum am Freitag, 24., und Samstag, 25. Mai. Das lag nicht nur an der gemütlichen Atmosphäre der kleineren Studiobühne in der Stadthalle, sondern vor allem am Geschick des Autors, die Erlebniswelt der Zuschauer zu nutzen, um seine Botschaft zu transportieren.

In „Der Westen“ geht es um Konflikte und Werte, die von den Protagonisten hoch gehalten werden, um sie im entscheidenden Moment aufzugeben, wenn sie sich gegen die eigene Bequemlichkeit wenden. Freiheit, Chancengleichheit und Meinungsvielfalt, also alles was eine Demokratie ausmachen sollte, bei Küspert steht es auf dem Prüfstand. Der Autor verzichtet dabei auf den moralischen Fingerzeig, vielmehr spielt er mit Helden unserer Kindheit, die auf der Bühne jedoch drastisch mit dem erwarteten Verhalten brechen.

Großartige Inszenierung

Der Text wurde großartig umgesetzt von der Regisseurin Sibylle Broll-Pape. Das Bühnenbild ist einfach gehalten: Im Hintergrund eine vollformatige Leinwand, die immer wieder mit Videosequenzen der Schauspieler bespielt wird und so zu einer weiteren Bühnenebene mutiert. Davor der übergroße LED-Schriftzug „GO WEST“, der durch Farbwechsel der Buchstaben die Bedeutung ändert. So erscheint das EGO ebenso im Hintergrund wie der WEG OST. Davor ein Hügel mit einem Kaktus, aus dem immer wieder einmal Blühten sprießen, die von den Protagonisten schnell wieder vernichtet werden.

Besonders beeindruckend sind jedoch die Schauspieler! Anna Döing, Betram Maxim Gärtner, Stefan Hartmann, Paul Maximilian Pira und Daniel Seniuk brillieren in jedem einzelnen Bild. Trixy Royeck hat durch die Kostüme, die oft von überlebensgroßen Pappmaché-Köpfen gekrönt werden, etwas großartiges geschaffen. So begegnet dem Publikum die Freiheitsstatue ebenso wie Superman, Lucky Luke, Super Mario und Dagobert Duck. Sie verkörpern die Ideale der Freiheit, Unbesiegbarkeit, des Glücks, der Suche nach Liebe und des Reichtums. Allein, Konstantin Küspert lässt sie im Verlauf des Stücks alle scheitern und verzweifeln.

Politik als Konfliktherd

Die zweite Ebene des Werks dreht sich um den Ost-West-Konflikt. Küspert löst einen imaginären Atomschlag Russlands gegen die USA von 1964 schnell auf, er wird vom aktuellen Konflikt zwischen Trump und Nordkoreas Führer Kim Jong Un abgelöst. Der reale Wirtschaftskonflikt zwischen China und Europa und den USA lässt den „Westen“ schließlich enden.

105 Minuten ohne Pause wirbelten die fünf Schauspieler über die Bühne, wechselten Rollen und Kostüme und brachten Küsperts Botschaften in pointierten Dialogen an den Mann. Wie begeistert das Publikum davon war, ließen die Zuschauer in einem nicht enden wollenden Schlussapplaus deutlich werden. „Phänomenal“ schwärmte eine Zuschauerin. „Das Beste bisher“, stimmte ein Stammzuschauer zu.

Ob es für Konstantin Küspert, der im Vorjahr für sein Werk „europa verteidigen“ den Publikumspreis der Stücke 2018 erhielt, auch in diesem Jahr für einen Preis reicht, wird sich bei der öffentlichen Jurysitzung am Samstag, 1.Juni, zeigen.

Autor:

Andrea Rosenthal aus Mülheim an der Ruhr

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