Die städtische Musikschule unterrichtet nun auch online
Gespenstisch still im Haus

Jana Tempel trifft sich mit ihrer Lehrerin Zlata Velinova online zum Querflöten-Unterricht.  | Foto: PR-Fotografie Köhring/AK
  • Jana Tempel trifft sich mit ihrer Lehrerin Zlata Velinova online zum Querflöten-Unterricht.
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Es begann unheilvoll am Freitag, 13. März, als sich Bundes- und Landesminister dazu entschlossen, zur Eindämmung der Covid 19-Infektionen alle Schulen zu schließen und den Unterricht auszusetzen. Seither ist auch für die Mülheimer Musikschule nichts mehr wie es war.

Von Andrea Rosenthal

„Seit dem 16. März haben wir uns damit befasst wie es weitergehen kann“, berichtet Bärbel Frensch-Endreß, Leiterin der städtischen Musikschule. „Wir haben viel ausprobiert und uns dann für Jitzi-Meet entschieden.“ Die Lizenz der Video-Webinar-Plattform, die als eine der wenigen auch die Ansprüche der deutschen Datenschutzgrundverordnung erfüllt, läuft über den Verband der Musikschulen Ruhr. Damit wird Home Schooling nun auch für die Musikschüler möglich.

„Im Schweiße unseres Angesichtes arbeiten wir daran, das Ding ans Laufen zu bekommen“, verrät Udo Schwartz, Verwaltungsleiter der Musikschule. Zunächst haben sich die Musiklehrer ans Telefon gehängt und E-Mail Adressen der Schüler erfragt, die Technik erklärt und den Unterricht digital geplant. Dann gingen Vertragsänderungen und technische Hilfsinformationen an die Eltern. Die Reaktionen müssen nun gesichtet und in die Schülerkonten eingepflegt werden.„Das ist ja für alle ein ganz neues Gebiet. Diese Art der Arbeit ist für die Lehrer extrem anstrengend und kann den Präsenzunterricht niemals ganz ersetzen“, fasst Bärbel Frensch-Endreß die ersten Erfahrungen zusammen.

Aber es ist zumindest ein Angebot. Dass es sehnlichst erwartet wurde, zeigen die Reaktionen der Musikschüler und ihrer Eltern. Fast 800 Familien haben den Online-Unterricht, dem mit einer Vertragsergänzung formal zugestimmt werden musste, akzeptiert. Wenige lehnen den digitalen Unterricht ab. „Sie können den Vertrag ruhen lassen oder zu den Sommerferien kündigen“, erklärt die Musikschulleiterin.

Holpriger Start

Direkt nach den Osterferien begannen die ersten Probeläufe mit Jitzi-Meet. Zu den Testern gehörten die Bläser- und Streicherklassen der Otto-Pankow-Schule. Auch Jekids und Einzelschüler waren dabei. Auf der Online-Plattform bestehen verschiedene Möglichkeiten des Unterrichts. Videotuturials, Gruppenchats und Aufgaben per eMail gehören ebenso dazu wie klassische Telefongespräche. Neues Notenmaterial kommt per eMail.

Jana Tempel, die seit 13,5 Jahren in der Mülheimer Musikschule Querflöten-Unterricht nimmt, hat mit ihrer Lehrerin Zlata Velinova den digitalen Unterricht aufgenommen. „Am Anfang lief es noch etwas holprig mit einigen technischen Problemen“, berichtet die Studentin. „So haben meine Lehrerin und ich fast eine Viertelstunde gebraucht, bis unsere Kameras liefen und richtig ausgerichtet waren.“ Das ist besonders wichtig, weil die Musiklehrer beim Unterricht auch immer wieder die Finger- und Körperhaltung korrigieren müssen. „Als alles lief konnten wir an den Unterricht vor dem Lock Down anknüpfen. Ich habe ein bekanntes Stück wiederholt. Insgesamt war es soweit in Ordnung“, resümiert Jana Tempel.

Was die Mülheimer Lehramt-Studentin aber auch beobachtet hat, ist, dass es eine große Selbstdisziplin braucht, sich für den Online-Unterricht zu motivieren und auch regelmäßig zu üben. Da sieht sie die älteren und erfahrenen Schüler im Vorteil. Der Wille scheint jedoch da zu sein. „Zlata Velinova hat mir erzählt, dass ihre komplette Flötenklasse dem Online-Unterricht zugestimmt hat“, berichtet Jana Tempel.

Das noch längst nicht alles rund läuft, weiß auch Bärbel Frensch-Endreß. Den Musikpädagogen ist auch klar, dass der digitale Unterricht nicht für jeden Schüler passt. Zusätzlich gibt es auch immer wieder praktische Probleme, bei denen eine physische Hilfe notwendig ist. „Wenn eine Saite gerissen ist, dann können wir nicht übers Internet helfen“, berichtet die Musikschullehrerin. Dann stehen die Lehrer nach telefonischer Absprache in der Musikschule tatkräftige bereit. „Natürlich mit Schutzmaske und dem nötigen Abstand“, versichert Bärbel Frensch-Endreß.

Bewährung steht aus

Wie der Unterricht über Jitzi-Meet funktioniert wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Die Musikschulleiterin ist optimistisch: „Es ist zwar nur ein Hilfskonstrukt, aber der wichtige Kontakt zu den Kindern bleibt.“ Was ihr hingegen fehlt, ist das Leben im Haus an der Von-Graefe-Straße. „Ich höre hier keine Musik, niemand übt. Das ist geradezu gespenstisch!“

Teilöffnung

Nach der aktuellen Corona Schutzverordnung darf die Musikschule in Teilen wieder öffnen. "Ab Donnerstag gibt es für wenige Schüler Einzelunterricht", berichtet Bärbel Frensch-Endreß. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren: Abstandsmarkierungen werden angebracht. Die Räume müssen teilweise neu zugeordnet werden, denn gerade die Blasinstrumente unterliegen besonderen Auflagen in Hinblick auf Größe und Belüftungsmöglichkeiten. Da die Klassen und Ensembles noch nicht wieder starten dürfen sind jedoch ausreichen große Räume frei. Bärbel Frensch-Endreß hat es mal überschlagen: "25 Lehrer und 120 Schüler werden über den Tag verteilt im Haus sein."  Um den Personenkreis klein zu halten, werden Begleitpersonen gebeten, die Räume nicht zu betreten. Für die Schüler und Lehrer gilt Maskenpflicht auf den Gängen und in den Sanitärräumen, die zum Reinigen der Hände zuerst aufgesucht werden müssen. "Und wo immer es geht empfehle ich die Maske auch während des Unterrichts zu tragen", erklärt die Musikschulleiterin. Sie freut sich, dass wieder Leben ins Haus kommt. Wer demnächst wieder in die Von-Graefe-Straße kommen kann, erfahren die Schüler von ihren Lehrern.

Doch der Online-Unterricht geht weiter. Frensch-Endreß: "Wir werden noch für lange Zeit zweigleisig fahren müssen. Die Klassen und Ensembles können wir sonst nicht erreichen."

Autor:

Andrea Rosenthal aus Mülheim an der Ruhr

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