Besondere Erfolge in der Pflegeausbildung
Gekommen, um zu bleiben

Jessica T., Kaoutar Y., Justus Behmenburg und Ahmad A.
  • Jessica T., Kaoutar Y., Justus Behmenburg und Ahmad A.
  • hochgeladen von Dennis Götzen

Es gibt viele gute Gründe, Ahmad A. vorzustellen. Erstens: Er hat vor kurzem seine Ausbildung zum Pflegefachmann erfolgreich abgeschlossen. Zweitens: Er hat dies als Klassenbester getan. Drittens: Er hat dies als Nicht-Muttersprachler getan, der 2015 aus Syrien nach Deutschland geflüchtet ist. Viertens: Er ist auch so ein willkommener Gesprächspartner, umgänglich, reflektiert, einfach ein angenehmer Zeitgenosse, dem man gern zuhört.

Dabei möchte der gebürtige Syrer eigentlich gar nicht so im Mittelpunkt stehen. Die aktuell wieder aufflammende Migrationsdebatte lässt aber auch ihn nicht kalt – ihn, der es ja eigentlich geschafft hat, der neben der syrischen jetzt auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und sich damit „endlich richtig sicher“ fühlen darf. Das mag seltsam klingen für jemanden, der nun schon seit neun Jahren in Deutschland lebt, hier gewissenhaft seiner Arbeit nachgeht und die Sprache mittlerweile exzellent beherrscht. Doch das aktuelle Klima ist kein gutes, wenn dir der deutsche Pass fehlt.
Nach dem Anschlag von Solingen und den Erfolgen der AfD bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg ist das Thema Migration wieder in aller Munde. Die Neue Rechte besetzt den Begriff in militanter Weise negativ und befeuert damit Abschiebe- und Grenzschließungspläne, die nicht nur moralisch wie rechtlich fragwürdig sind, sondern auch den Blick verstellen für die vielen positiven Migrationsgeschichten hierzulande – wie eben die von Ahmad.

Der heutige Oberhausener stammt aus ar-Raqqa im Norden von Syrien. Noch als Minderjähriger trat Ahmad die Flucht nach Europa an. Von der syrischen Hafenstadt Latakia aus ging es über die Türkei bis ins rund 3000 Kilometer entfernte Deutschland. Im Gepäck hatte Ahmad materiell nur wenig, aber ein großes Ziel: Informatik zu studieren. Nicht jeder weiß in jungen Jahren so genau, wohin es gehen soll. Als Voraussetzung fürs Studium hätte ihm das Deutschniveau B2 gereicht, doch Ahmad nahm auch noch die nächste Sprachlernstufe in Angriff, um sich nachhaltig an der Uni und überhaupt in Deutschland zurechtfinden zu können. Der Sprung von B2 zu C1 gilt als besonders herausfordernd – Ahmad meisterte ihn im zweiten Anlauf, „weil ich unbedingt erfolgreich studieren wollte“. Doch die Pandemie und die dadurch erschwerten Studienbedingungen machten ihm einen Strich durch die Rechnung, er entschied sich letztlich schweren Herzens zum Abbruch.

Den verständlichen Verdruss ließ der junge Mann, der nach eigener Aussage „immer Action“ braucht, bald wieder hinter sich. Der Richtungswechsel von Informatik zu Pflege klingt enorm, Ahmad aber hatte ja schon weitaus einschneidendere Ortsveränderungen hinter sich. Trotzdem dauerte es eine Zeit, „bis ich richtig angekommen bin in der Ausbildung. Das erste Jahr war schwierig, dann hat es irgendwann ‚klick‘ gemacht und ich bin in einen regelrechten Flow gekommen.“ Mit bekanntem Ergebnis. Den Flow hatte Ahmad selbst entscheidend in Gang gebracht, als er den Ausbildungsträger wechselte – von dem Altenheim, in dem er zuvor schon als ungelernte Teilzeitkraft ausgeholfen hatte, hin zu Pflege Behmenburg. Dort war Geschäftsführer und Ausbildungsleiter Justus Behmenburg sein erster Ansprechpartner. Auch der Juniorchef ist voll des Lobes für Ahmad, der die Ausbildung „mit großer Hingabe gemeistert“ habe. Seine Geschichte könne auch als kleines Gegenbild zur „pauschalen Herabwürdigung Geflüchteter“ gesehen werden, wie sie die Neue Rechte gern betreibt.

Ahmad ist übrigens weiterhin „gut im Flow“, so gut, dass er nach den Abschlussprüfungen gleich weitermacht. „Ich genieße einfach, dass ich jetzt eigenständig arbeiten und, nach dem Tunnelblick während der Ausbildung, etwas durchatmen kann.“
Das müssen sicher auch Jessica T. und Kaoutar Y., die gemeinsam mit Ahmad die Abschlussprüfungen bestanden haben. Während letzterer dem Unternehmen definitiv erhalten bleibt, plant auch Kaoutar, zu ihrem Ausbildungsbetrieb zurückzukehren – nach einer privaten Auszeit. Dass sie sich diese nimmt, ist nur allzu verständlich, schließlich kam die Marokkanerin überhaupt erst eine (!) Woche vor ihrem Ausbildungsstart 2021 in Deutschland an. Drei Jahre später hat sie das beste mündliche Examen des Ausbildungskurses abgelegt. Offensichtlich die nächste positive Migrationsgeschichte …

Autor:

Dennis Götzen aus Mülheim an der Ruhr

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