Mülheim trauert um Jochen Leyendecker
Ein Nachruf auf einen bescheidenen Künstlerfreund, der im Bismarckturm in Mülheim wirkte
Die Kunstszene Mülheims hat einen ihrer bedeutendsten Wegbereiter der letzten Jahre verloren. Am vergangenen Freitag verstarb Jochen Leyendecker im Alter von 67 Jahren, doch sein Vermächtnis als Künstler wird die Ruhrtalstadt noch lange begleiten.
Jahrelang prägte Leyendecker die künstlerische Landschaft Mülheims, insbesondere durch sein Atelier im Bismarckturm, das für viele Mülheimerinnen und Mülheimer zu einem bekannten Anlaufpunkt wurde.
Passanten betraten das Atelier, um dem Künstler bei der Arbeit zuzusehen und über die Wendeltreppe dann eine einmalige Aussicht über das Ruhrtal zu genießen. Dieser Genuss ist seit langem vorbei, denn der Turm kann wahrscheinlich nie wieder geöffnet werden.
Als vielseitiger Künstler zeigte Leyendecker sein Talent in verschiedenen Bereichen der Kunst. Er malte, zeichnete und schuf Grafiken, arbeitete mit Stein, Metall und Holz. Doch vor allem war er ein leidenschaftlicher Bildhauer. Nachdem er am Otto-Pankok-Gymnasium sein Abitur absolvierte, begann er seine künstlerische Reise mit einer Ausbildung zum Steinmetz und Steinbildhauer.
Die Liebe zur Bildhauerei führte ihn zu einem intensiven Studium der Architektur und Bildhauerei in Dortmund, Salzburg und Augsburg. Als freischaffender Künstler ab 1988 machte er sich einen Namen durch Einzelausstellungen und Beteiligungen an Gruppenausstellungen. Darüber hinaus erhielt er Aufträge von kommunalen und kirchlichen Institutionen und unterrichtete von 2001 bis 2016 am Gymnasium Heißen.
Besonders eng verbunden war Leyendecker jedoch mit seinem Bismarckturm, den er 1997/98 wiederbelebte, indem er dort sein Atelier einrichtete. Er gründete am 20. Juni 1998 den gemeinnützigen Kunstverein „Kulturturm e.V.“ zusammen mit Stephanie Behrendt, Thomas Behrendt, Dore O. ( Oberloskamp – Nekes), Ute Renczewitz, Rolf Schulze, Inge Sinn und Heidemarie Sinn-Leyendecker. Der Versuch des Mülheimer Künstlerbundes MKB den Verein durch eine Fusion zu reaktivieren scheiterte 2021.
Nachdem der Mülheimer Bismarckturm 2015 samt seinem Atelier aufgrund von Mängeln geschlossen werden musste, fand Leyendecker ein neues kreatives Zuhause in seinem Atelier in Speldorf, Hansastraße 16.
Seine künstlerische Arbeit beschränkte sich aber nicht nur auf Mülheim; sein Einfluss reichte weit über die Stadtgrenzen hinaus. Als Mitbegründer der Künstlergruppe AnDer und durch seine Teilnahme an verschiedenen Ausstellungen trug er maßgeblich zur Bereicherung des künstlerischen Lebens in Mülheim bei.
Seine letzte große Ausstellung, betitelt "torsi", fand Ende 2023 in der reaktivierten Galerie 46 statt und erntete große Anerkennung. Trotz eines Schlaganfalls im Jahr 2015, der seine künstlerische Tätigkeit einschränkte, zeigte Leyendecker weiterhin beeindruckende Werke.
Neben seinem künstlerischen Schaffen engagierte sich Leyendecker auch politisch und sozial. Als Mitglied der Grünen und im Kulturausschuss der Stadt setzte er sich für die Belange der Mülheimer Künstlerschaft ein. Sein ehrenamtliches Engagement erstreckte sich auch auf das Centrum für bürgerschaftliches Engagement.
Jochen Leyendecker wird nicht nur als Künstler, sondern auch als Familienmensch in Erinnerung bleiben. Seine Werke, sowohl im öffentlichen Raum als auch in privaten Sammlungen, werden weiterhin von seiner Hingabe und Leidenschaft zeugen. Mülheim hat einen großen Künstler verloren, dessen Bescheidenheit und Talent unvergessen bleiben werden. Sein Werk ist unvergänglich.
Autor:Alexander Ivo Franz aus Mülheim an der Ruhr |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.