Musikfreunde trauern um Helmut Winschermann
Ein Meister aus Mülheim
Am 22. März wäre er 101 Jahre alt geworden. Doch kurz vor seinem Geburtstag ist der Mülheimer Oboist und Dirigent Helmut Winschermann in Bonn gestorben. Die Frankfurter Allgemeine nennt ihn in ihrem Nachruf den "Prägenden Oboisten Deutschlands".
Winschermann wurde für seine musikalische Arbeit unter anderem mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Er selbst hat 1990 in einem Interview über seinen musikalischen Stil gesagt: „Man hat mich in den 50er Jahren als Sänger auf der Oboe apostrophiert. Ich bin damals ein sehr mutiger Bläser gewesen und habe auf der Oboe ein Espressivo versucht, was es bis dahin eigentlich noch nicht gegeben hatte. Mit den Anforderungen im modernen Orchester hat sich allerdings nun auch das Klangideal wieder verändert. Man spielt heute mit einem runderen, dunkleren und volleren Oboenton.“
Schwerer Anfang
Winschermanns Wiege stand in Styrum. Der Vater Karl war Polizeibeamter. Die Familie, zu der ab 1921 auch Helmuts Schwester Gerda gehörte, wohnte an der Albertstraße 26, unweit der Immanuel Kirche. Sein musikalisches Erweckungserlebnis hatte der Sohn eines Polizeibeamten im Chor der Evangelischen Kirchengemeinde Styrum. Dort entdeckte er auch die Geige. Zusammen mit seinen Großeltern und anderen Kindern aus der Gemeinde gestaltete er Weihnachtsfeiern für Obdachlose, bei denen er Lieder und Texte vortrug, Das nannte er in einem Interview anlässlich seines 100. Geburtstages ein der wichtigsten Erfahrungen seines Lebens. Pfarrer Paul Theodor Biermann, der wie Winschermann 1933 von den Nationalsozialisten zwangspensionierter Vater zur regimekritischen Bekennenden Kirche gehörte, wusste schon damals: "Mensch, Junge! Du musst was mit Musik machen." Auch der Mülheimer Musiklehrer Hermann Meissner, der später unter der Leitung von Orlando Zucca an der Jugendmusikschule unterrichten sollte, förderte Winschermanns Begabung. Doch obwohl er seinem Sohn selbst die erste Violine geschenkt hatte, wollte sein Vater, dass der Sohn eine kaufmännische Berufsausbildung absolvieren sollte, denn das Musikstudium kostete damals 50 Mark pro Monat. Aber der Sohn wollte Geiger werden und bewarb sich, ohne das Wissen seiner Eltern, an der Essener Folkwangschule. Dort erkannte man sein musikalisches Talent, ließ ihn aber wissen: "Geiger haben wir hier schon genug. Aber in unserer Oboenklassen haben wir noch einen Platz frei." So studierte Winschermann ab 1936 Oboe statt Geige. Johann Baptist Schlee wurde sein Lehrer und Winschermann sein Meisterschüler. Ein Stipendium der Leonhard-Stinnes-Stiftung machte es möglich.
Musiker in Zeiten des Krieges
Noch vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges sammelte Helmut Winschermann in Essen, Witten und Oberhausen erste Erfahrungen als Orchestermusiker. Mit dem Krieg begann seine Zeit als Soldat und Militärmusiker der Wehrmacht, die ihn nach Frankreich führte. Eine Verwundung und ein anschließender Lazarett-Aufenthalt wurden für den Musiker aus Styrum, zum Glück im Unglück. Ab 1943 konnte er als Oboist im Kurchorchester Bad Homburg und in einem Militärmusikkorps in Minden sein Instrument spielen. Ein Fronteinsatz blieb ihm erspart und er überlebte Krieg und Diktatur.
Prägender Oboist
1945 holte ihn der neue Hessische Rundfunk ins sein Orchester, dem er bis 1951 angehören sollte 1948 berief ihn Kurt Thomas als Oboen-Lehrer an die Kunstmusikhochschule in Detmold, wo er 1956 eine Oboen-Professur übernahm. Dort studierte die heute als Oboistin in der Duisburger Philharmonie spielende Mülheimerin Imke Alers in seinen letzten drei Hochschuljahren (bis 1985) bei Helmut Winschermann: "Er war ein sehr fordernder, aber auch verständnisvoller Lehrer, der sich nicht nur für das musikalische Können, sondern auch für das Leben seiner Studenten interessierte", erinnert sich Alers.
Lehrer mit Herz und Anspruch
Sein Hochschullehramt war ihm so wichtig, dass er ein Angebot Wilhelm Furtwänglers ablehnte, als Oboist zu den Berliner Philharmonikern zu wechseln. Stattdessen gründete und dirigierte Winschermann ab 1960 mit den Deutschen Bach-Solisten ein eigenes Kammerorchester, mit dem er weltweit beachtete Konzerte gab und Bach-Kompositionen für etwa 100 Schallplatten und und CDs einspielte. Schon 1954 hatte der Oboen-Professor aus Mülheim in Detmold das Collegium Pro Arte (später Collegium Instrumentale) in Leben gerufen. Außerdem gastierte er immer wieder in verschiedenen Orchestern, wie den Kammerorchestern des Saarlandes und der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart sowie in der 1954 vom Westdeutschen Cappella Coloniensis.
Während einer seiner zahlreichen Konzertreisen durch Japan lernte er dann auch seine zweite Frau Midori kennen. die als Pianistin seine Leidenschaft für die Musik teilte.
J. S. Bach : Orchestral Suite No. 1 (Helmut Winschermann, 2000
Autor:Thomas Emons aus Mülheim an der Ruhr |
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