Stücke 2019
Ein fulminanter Auftakt mit großen Versprechungen
Am Samstagabend, 11. Mai, starteten die 44. Mülheimer Theatertage „Stücke 2019“ mit einem fulminanten Abend in der Stadthalle. Sibylle Bergs Dysthopie „Wonderland Ave.“ in einer Inszenierung des Schauspiels Köln wurde gezeigt.
Von Andrea Rosenthal
Zur Stückeeröffnung kamen auch Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, und Oberbürgermeister Ulrich Scholten. Für die Ministerin war es eine Premiere, doch sie hatte viel Lob für die „Theatertage, die weit über NRW und Deutschland hinaus strahlen“ dabei. Außerdem überraschte Isabel Pfeiffer-Poensgen mit einer erhöhten Förderzusage des Landes für die nächsten Jahre. Sibylle Berg, die Autorin des Auftaktstückes, war wegen einer Erkrankung verhindert. Sie ließ durch ihren Lektor jedoch Grußworte verlesen und versprach „noch mindestens 100 Mal“ Texte für die Stücke einzureichen, die in ihren Augen das einzige Festival sind, bei dem die Autoren im Mittelpunkt stehen.
Dieses Augenmerk können die Besucher der Stücke gar nicht übersehen. Die Kölner Bühnenbildnerin, Cordula Körber, hat das Foyer der Stadthalle mit den Texten der sieben Stücke dekoriert. Scrabbletische und die schon traditionellen Postkarten mit zentralen Zitaten laden die Zuschauer ein, aktiv zu werden und mit den Texten zu spielen.
Platz für Gedankenspiele
Auf der Bühne lud der Abend eher zu Gedankenspielen ein. Regisseur Ersan Mondtag hatte sein Bühnenbild und die Kostüme im Stil von „Alice im Wunderland“ gestaltet. Übergroße Körper der nackten Hauptdarsteller bildeten das Bett der Heiminsassen oder Kletterplattformen in dem Versuch, den allgegenwärtigen Maschinen zu entkommen. Der Chor der Roboter trug versteifte Kostüme, die die Schauspieler Sophia Burtscher, Jonas Grundner-Culemann, Elias Reichert, Sylvana Sedding und Nikolay Sidorenko nicht nur zu abgehackten künstlichen Bewegungen zwangen, sondern in ihrer übertriebenen Farbigkeit die Unnatürlichkeit der Situation nahezu stets in die Wahrnehmung der Zuschauer zwangen.
Eine fulminante Leistung erbrachten Bruno Cathomas und Kate Strong, die die menschlichen Heiminsassen spielten. Ihnen gelang es, die Verlierer einer digitalisierten Zukunft überzeugend darzustellen. Zunächst als User der elektronischen Lebensbegleiter wie Smartphone, selbstfahrende Autos oder Saug-, Wisch- und Mähroboter anscheinend die Gewinner der Entwicklung, wurden sie schnell durch diese überholt und in ihrem gesellschaftsdienlichen Schaffen durch Maschinen ersetzt. Verzweifelt ließ Sibylle Berg die Hauptpersonen aufbegehren gegen den aufgezwungenen Wettbewerb, an dessen Ende ein Zustand stehen sollte, der das ideale Dasein ist. Doch schon an der Frage nach diesem Ideal scheiterten die Menschen. Es wurde deutlich, dass die Beschäftigung mit der digitalen Welt nach und nach die Bindungen in der realen Welt gekappt haben. Das Leben scheint sinnlos. Berg lässt Bruno Cathomas fragen: „So: aufgestanden, geturnt, gefrühstückt, Scheißlaune, sonst noch was?“
Der Mensch verliert sich in der digitalen Welt
Der Sinn des Lebens ging verloren, die menschlichen Kontakte in die Brüche. Sinnbildlich hierfür lässt Sibylle Berg den Chor der Maschinen immer wieder auf Nachrichten der Mutter hinweisen, die der Mensch jedoch nicht in der Lage ist zu beantworten. Umso erschreckender als es am Ende des Stückes heißt: „Ihre Mutter scheint der einzige Mensch zu sein, der sich noch für Sie interessiert.“ Und dann ist auch diese Verbindung gekappt.
Eine verstörende Dystophie, eingängig inszeniert von Ersan Montag. Der Regisseur und die Schauspieler erhielten viel Applaus. Das Publikum zeigte sich begeistert.
So geht's weiter
Am Dienstag, 14., und Mittwoch, 15. Mai, wird jeweils ab 19.30 Uhr Wolfram Hölls „Disko“ in einer Inszenierung des Schauspiels Leipzig in der Stadthalle gezeigt. Einige Restkarten sind erhältlich bei allen reservix-Vorverkaufsstellen und in Mülheim in der Touristinfo im Medienhaus, Synagogenplatz 3.
Autor:Andrea Rosenthal aus Mülheim an der Ruhr |
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