Ein Erinnerungskaleidoskop: Berliner Künstlerin Franek im Kunstmuseum Mülheim
Das Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr zeigt in seinem Grafikraum eine ganz besondere Werkreihe der Berliner Künstlerin Franek. Die Malerin und Zeichnerin begibt sich auf eine Zeit- und Erinnerungsreise in ihre Kinder- und Jugendjahre, die sie nach der Flucht mit Mutter und Geschwistern in Mülheim verbrachte. Wie in einem Kaleidoskop fügen sich Bilder, Objekte, Artefakte und Erinnerungsstücke zusammen.
Sie wird buchstäblich in den Krieg hinein geboren. Franek – die Berliner Künstlerin wird am 1. September 1939 in Potsdam geboren. Am selben Tag bricht der Zweite Weltkrieg aus. 70 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges gehören Krieg und Flucht immer noch zum Tagesgeschehen auf der Welt. Ausgelöst durch aktuelle Kriegsberichte und Bilder von Flüchtlingsströmen fragt sich Franek, in wieweit ihre eigenen Erlebnisse als Kriegskind und Flüchtling Einfluss auf ihre künstlerische Arbeiten haben. Ihre Erinnerungen an die Kriegszeit sind unscharf und verschwommen. Und doch gibt es Gedächtnisfetzen: die Kindheit in den Nachkriegsjahren, das Spielen zwischen Ruinen und Trümmern, die vaterlose Familie, die späte Rückkehr des Vaters, der ihr und der Familie letztendlich fremd blieb.
Das Buch „als die Soldaten Schäfer waren“ entsteht
Für ihr Buchprojekt „als die Soldaten Schäfer waren“ untersucht Franek den Einfluss dieser Kindheitserinnerungen auf ihr Werk. Dazu wählt sie jeweils kleine Bildformate. Sie malt auf keiner Leinwand, sondern auf dem harten Untergrund von Fermacell. So kann sie in mehreren Schichten ihre Erinnerungsbilder übereinander malen oder auch wieder freilegen. Es entstehen aber nicht ausschließlich reine Erinnerungsbilder, sondern auch neue Bildgeschichtsfragmente, in denen sich Realität und Fiktion, Vergangenes und Gegenwart, mischen. Zu jedem Bild fügt Franek einen kleinen, handgeschriebenen Text hinzu, der hilfreich bei der Interpretation des Bildes sein kann.
Neben ihren Bildern auf Fermacell zeigt Franek ihre „Wunderkammern“, ihre privaten Bild-oder Gedächtnisspeicher. Unter Plexiglas hat sie auf schwarz grundiertem Sperrholz Textfragmente, gravierte Spiegel, diverse Fundstücke, Zeichnungen und Figuren aus früheren Radierungen zu Bricolagen zusammengefügt. Hier erfährt der Betrachter zum Beispiel auch etwas über ihre Arbeit im indianischen Kulturbereich.
In einer Tischvitrine sind Erinnerungsstücke, wie Fotografien, Briefe an den Vater, das Tagebuch der noch jungen Franek oder auch das Kleidchen, das das Mädchen Franek auf ihrer Flucht getragen hat, ausgestellt. Alle diese Stücke haben die Künstlerin immer wieder zu assoziativen Bildmotiven angeregt.
Franek studierte an der Hochschule für Bildende Künste Berlin bei Fred Thieler und Mac Zimmermann. Sie lebt und arbeitet in Berlin und Radegast, ihre Arbeiten sind u.a. im Deutschen Bundestag und in der Sammlung der Bundesrepublik Deutschland vertreten.
Das Buch „als die Soldaten Schäfer waren“ ist ein wunderbares Lese- und Bilderbuch geworden. Einmal zur Hand genommen, kann man es kaum wieder weglegen. Franek schreibt in der 2. Person, wählt somit die Form eines Zwiegesprächs und lässt das Kind Franek mitdenken und mit malen. Das Buch ist im Nicolai Verlag erschienen und im Museumsshop erhältlich.
Und wie kommt es zu dem ungewöhnlichen Buchtitel? Franek erklärt es so:
Der Titel des Buches stammt aus dem Wiegenlied „Schlaf, Kindlein, schlaf, dein Vater hüt´ die Schaf…“, das die Mutter Franek vorgesungen hat. Da sich das Mädchen die Abwesenheit des Vaters nicht erklären konnte, war er eben der Schäfer…
Die Ausstellung läuft bis zum 07. Februar 2016
Weitere Infos unter www.kunstmuseum-mh.de
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
mit Stiftung Sammlung Ziegler
Synagogenplatz 1
45468 Mülheim an der Ruhr
Autor:Andrea Gruß-Wolters aus Duisburg |
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