Die Kummerkastentante

Die Kummerkastentante

Ihre Stimme war bekannt
allen, denen sie stets mit Rat und Tat zur Seite stand,
egal ob am Tag oder in der Nacht
sie half jedem der in Not war, war immer erreichbar.
Sie suchte fieberhaft nach Lösungen,
gab Trost, fand Mittel und Wege
Verzweifelte, lebensmüde vom Abgrund wegzureißen.
Selbstlos, liebevoll, herzlich kam sie rüber,
Warm und beruhigend die Stimme.

Sonst wusste man nichts von ihr, sie half anonym.
Die Verzweifelten wollten eine freundliche menschliche Stimme hören
glauben können
dass da ein Mensch war der sie und ihre Sorgen für wichtig hielt
dem sie wichtig waren, der sie ernst nahm
wenn sie keinen Ausweg mehr wussten oder sahen,
am Ende waren.
Dieser fremde Mensch an der Strippe
war oft das rettende Zünglein an der Waage
der ganz für sie da sein wollte
und sei es nur für die Länge eines Gespräches.

Eines Tages war eine andere Stimme am Telefon
Härter, kälter, unpersönlich, abweisend,
ungeduldig, fast unfreundlich, in Zeitdruck.
Auf die zögerliche, fast bange Frage nach der anderen Stimme
kam nur eine unwirsche Antwort, schneidend, kalt wie Eis.
"Die kommt nicht mehr, ich bin jetzt hier".

Anderen Tags eine dicke Schlagzeile in der Zeitung:
"Kummerkastentante Ida, Retterin der Verzweifelten tot aufgefunden!"
Neben ihr lag ein Abschiedsbrief:
"Bitte alle um Verzeihung, bin leer, kann einfach nicht mehr,
habe keinen Menschen der mir zuhörte, für mich da war
niemanden der zu mir gehörte, es tut mir leid.
Bin sehr glücklich dass ich so vielen Menschen helfen konnte."
Um sie herum lauter Bilder von Menschen die sie gerettet hatte.