Enzenbergers „Der Untergang der Titanic“ eröffnet die Spielzeit im Theater an der Ruhr
Die Katastrophe als Fundament für die Erneuerung
Schon im Vorfeld ist die erste Neuinszenierung der neuen Spielzeit im Theater an der Ruhr auf große Resonanz gestoßen. Die Premiere von „Der Untergang der Titanic“ am Donnerstag, 19. September, ist restlos ausverkauft. Kein Wunder, handelt es sich doch um ein Stück mit verklärter und verklärender Historie und gesellschaftlichem Tiefgang im Meer der Gezeiten.
Hans Magnus Enzenberger charakteriert sein Stück als „ironische Komödie“, obgleich es eigentlich ein Gedichtzyklus in 33 Gesängen ist. Ursprünglich war es auch nicht für die Bühne gedacht. Und ganz oben in den Bücherregalen war es auch nicht zu finden. Vielmehr haben Regisseur Philip Preuss und Dramaturg Sven Schlötcke es mehr zufällig als gewollt auf den „literarischen Meeresgründen“ entdeckt.
Gesellschaftliche Utopien
„Es gibt da einige groteske Situationen, die mich animiert haben, das Stück hier in Mülheim zu inszenieren“, sagt Philipp Preuss, dessen Kreativität künftig noch mehr im Haus am Raffelbergpark zu spüren sein wird. Er ist nämlich gerade jetzt in die künstlerische Leitung des Theaters an der Ruhr eingetreten und ergänzt das „Macher-Trio“ um Roberto Ciulli, Helmut Schäfer und Sven Schlötcke. Schon vorher war er in der hiesgen Theaterlandschaft kein Unbekannter, denn hier hat er schon einige Male Regie geführt. Seine Regierarbeiten etwa bei „Leonce und Lena“ oder „König Ubu“ sind noch in guter Erinnerung.
Nun hat er sich Enzenbergers Titanic-Version vorgenommen. Das Stück erzählt von vielen Untergängen zugleich. Da geht es zumächst und allererst um das Sinken des legendären Luxusliners, aber auch um das Verblassen gesellschaftlicher Utopien, den Verlust eigener Gewissheiten oder um das „Delirium einer technikgläubigen Welt“. Selbst die Klimakatastrophe ist schon Inhalt des Stücks, das der Kult-Autor jahrelang schrieb und veränderte, bis es 1978 vollendet war.
Komödie des Überlebens
Es symbolisiert die „unsinkbare“ Titanic als Toten-, Spielzeug- und Narrenschiff in einem. Neben den Superreichen in der „Upper Class“ landen die Minderbemittelten, die Querulanten, Anarchisten, Auswanderer und Geflüchteten in einem gemeinsamen Rettungsboot. So wird Enzensbergers Stück letztlich im Spiel des Untergangs zu einer Komödie des Überlebens. Sven Schlötcke sieht den Untergang der Titanic sogar als Methapher für eigentlich alle Untergänge auf dieser Welt, denn Katastrophen gebe es ja tagtäglich und überall. Und dennoch, so meint er, „ist jede Katastrophe zugleich ein Fundament für Neues.“
Philipp Preuss und Bühnenbildnerin Ramallah Sara Aubrecht haben zudem eine ganz besondere Raumlösung auf den Weg gebracht. Die Zuschauer sitzen wie auf einem Schiff, einer Drehscheibe im Theaterraum. Drumherum und mittendrin sind sie in das Geschehen involviert, sind hautnahe Zeugen verschiedener Untergänge. Das gesamte Ensemble des Theaters an der Ruhr ist in das Stück eingebunden. Natürlich, wie von Enzensberger gewollt und von Preuss individuell umgesetzt, spielt Musik eine große Rolle. Kornelius Heidebrecht bringt Musik der 60er Jahre in die „Untergangs-Ohren“, aber auch Salon-Musik oder fast gespenstische Melodien halten Einzug in das Geschehen um Katastrophenangst und Todessehnsucht.
INFO
Die nächsten Vorstellungen gibt es am 20. September, 4., 5., 6., 19. und 20. Oktober.
Autor:Reiner Terhorst aus Duisburg |
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