Paradigmenwechsel beim Martinslied
Der Rabimmelzug kommt

Zu Ehren unserer lieben Laterne finden jedes Jahr um den 11. November herum Laternenumzüge statt. Leider kollidiert dieser schöne Brauch mit dem Martinstag, sodass mancherorts ein antik behelmter, mit Hieb- und Stichwaffe gerüsteter Reiter, rot bemäntelt auf weißem Pferd, herumtrabt und vergeblich versucht, einen halben Mantel loszuwerden. Helfer sind bemüht, ihn von den Kindern fernzuhalten und schicken ihn unter dem Vorwand vor, die Straße für die Laternenläufer frei zu halten.
Dann ziehen die heiseren Kinderchen laut eigenen Aussagen „durch die Straße auf und nieder“. Es genügt offenbar eine einzige Straße, auf der „ich mit meiner Laterne“ auf- und diese anschließend „mit mir“ niedergehe. Dabei beschwören die Kleinen singend ihre Laterne inständig, bloß nicht abzubrennen, obwohl durch kluge Elektrifizierung nur geringe Gefahr im Verzug ist und der CO2-Ausstoß sich ebenfalls in Grenzen hält.
Die Mütter unterhalten sich derweil lautstark, checken Emails, senden Fotos und SMS oder telefonieren, während sie irgendwo eine Ersatzlaterne bereithalten. Der liebe Martin darf nur „schauen“. Es ist halt der Martin, nä? Im Mittelpunkt des säkularen Laternenzuges steht die liebe Laterne, deren fragile Weiblichkeit es an diesem Abend zu schützen gilt, und evtl. noch „Sonne(!), Mond und Sterne“. Aber damit kein Missverständnis aufkommt: „Hier unten leuchten wir!“ Vom vielen Rabimmeln, Rabammeln und zusätzlichen noch Rabummeln, geht schließlich das Licht aus und „wir gehn nach Haus“. Still entkommt der heilige Martin samt Schimmel unbesungen in der Dunkelheit.

Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

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