Der Klare Blick von Stephan Harbort (Rezension)

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Der Klare Blick

Faszinierend dieser Blick in die eigenen Verhaltensmuster. Faszinierend auch, wenn man sich klar darüber wird, wie berechenbar man doch ist, und damit auch leichter zu manipulieren, als man sich selber doch so gerne einschätzt.
Diese Buch bietet, ist man gewillt den Weg zu gehen, einen Weg, sich und seine situativen Handlungen zu ändern, und damit auch seine Angriffsfläche für Manipulatoren zu verringern.

Anhand von alltäglichen Beispielen und Kriminalfällen, verdeutlicht Harbort anschaulich, was man in bestimmten Situationen für Wege einschlagen kann, um zu völlig anderen Ergebnissen zu kommen, als die es wären, würde man seinem altbekannten und vielfach bewährten Schema folgen. Das eröffnet einem eine neue Welt, weil davon auch Einschätzungen anderer Personen betroffen sind. Man hat quasi einen doppelten Blick auf die Welt. Von zweidimensional auf dreidimensional würde ich es nennen.

Das Buch muss man ausführlich lesen und ist man gewillt, auch testen. Ich versichere, es macht Spass. Ich habe es in einigen Situationen getan, und fühlte mich besser.

Ich kam mir bei der Lektüre ein bisschen wie ein Schachspieler vor, der mitten im Spiel einen Spieler ersetzen soll. Um zu gewinnen, muss er seine und des Gegners Strategie kennen. Also muss er bereits zurückliegende nachvollziehen, die zu dem jetzigen Stand führten, und andererseits vorausplanen, und das mit allen möglichen Zügen.

Anwendung im Alltag

Ein Beispiel:

Auch ich muss , wie Harbort anhand seines Refluxes demonstrierte, Medikamente nehmen. Ich sitze im Rollstuhl und nach dem Zubettgehen, ist ein erneutes Aufstehen für mich sehr aufwändig. Nachdem ich den Absatz mit dem vergessenen Medikament gelesen hatte, dachte ich nach, wann mir so etwas passieren könnte, zog alle möglichen Situationen nochmal in Betracht, und habe nun einen kompletten Satz Medis in meiner Handtasche und an meinem Bett. Ob im Bett, am Schreibtisch oder unterwegs, habe ich nun immer eine Tagesdosis in meiner Nähe, und nicht nur, wie bisher, meine Schmerzmittel.
An diesem Tag habe ich alle rountinemässigen Tätigkeiten unter die Lupe genommen, und überprüft. Ich habe noch einige andere Dinge gefunden, die ich änderte, und nun habe ich ein Sicherheitsgefühl, das ich vorher nichtmal vermisste, aber nun doch sehr geniesse.
Folgt man den Checklisten, die Harbort jedem "Fall" anfügt, gewinnt man. Es dauert, und manchmal macht es auch zuerst unzufrieden, aber es lohnt sich.
Zuerst unzufrieden, weil man natürlich auch Ergebnisse bekommt, die man nicht haben will.

Beispiel 2:

Ich spreche seit langer Zeit nicht mehr mit meiner Schwester. Das ging von ihr aus, und neue Kontaktaufnahme scheitert an ihrer Sturheit. Seit langem wollte ich das ändern. Es ist eben meine Schwester.
Ich trug also anhand des Buches Punkte zusammen, mit denen ich überprüfen wollte, ob ich es nochmal versuchen sollte. Unter anderem ob gelogen wurde, wegen dieser Situation, ob Mut genug da war, sich zu entschuldigen, was ich mir von der Zukunft erwarte, verglich es mit älteren ähnlichen Situationen, filterte die Dinge heraus, die aller Wahrscheinlichkeit nach, nicht zu ändern waren, bzw. sich genauso wiederholen würden, da noch nie grosse Bereitschaft da war, andere Wege zu gehen, als die erlernten, und kam so zu dem Ergebniss, das sich der Aufwand nicht lohnen würde, das früher oder später wieder solch eine Situation eintreten würde, und wir wieder da stehen würden, wo wir grade waren.
Das ganze hat 2 Tage gedauert, da ich mir eine eigene, neue Checkliste zusammenstellen musste, die auf diese Situation passte und ich ja auch noch völlig ungeübt war.
Viel Zeit, denkt man. Ist es auch, aber es erspart mir nun das schlechte Gewissen, das ich jeden Tag mit mir herum trug. Bewusst oder unbewusst. Ich habe einen Abschluss gefunden, und bin damit auch sehr zufrieden.

Erlerntes umsetzen

Ich werde diese Buch an meinen Sohn weiterreichen, der vor der Entscheidung steht, einen neuen, beruflichen Weg einzuschlagen. Und ich bin sehr gespannt auf seine Entscheidung, da er diese berufsfindungsbezogene Liste nutzen wird. Er ist ebenfalls sehr gespannt, was er dabei über sich herausfindet, und möchte auch meine Erinnerungen nutzen. Es ist schon witzig, das aus diesem Buch eine vermutlich sehr amüsante Zeit für Mutter und Sohn herauskommen wird, die es so sonst nicht gegeben hätte.
Diese Buch hat viele Pluspunkte. Es ist interessant zu lesen, für den der nur lesen will, aber es ist auch lehrreich, für den, der lernen will, und dazu bietet es noch die Möglichkeit der Anwendung des gelesenen. Besonders das letzte, macht enormen Spass und hat eindeutig einen Suchtfaktor.
Mit ein bisschen Phantasie kann man gut eine Familienspiel daraus machen, was mir bei der verschütteten Cola auffiel. Da versucht Harbort spasseshalber anhand der Fallanalyse den Verursacher einer Cola-Pfütze auf einem Tisch zu finden.

Mein Fazit:

Es gibt wenige Bücher, die soviele interessante Möglichkeiten wie diese bieten, und ich kann es uneingeschränkt empfehlen. Der Gruselfaktor ist hier auch nicht so ausgeprägt, das man es nicht jüngeren Lesern an die Hand geben kann, was besonders in Hinsicht auf die Checkliste der Berufsfindung wünschenswert wäre. So differenziert geht kein Berufsberater vor.

Autor:

Claudia Jacobs aus Mülheim an der Ruhr

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