Bunte Engel
Magali kam aus der Schule heim und erzählte der Mutter ganz aufgeregt von den Erlebnissen des heutigen Tages.
Da das Weihnachtsfest nahte drehten sich die Gespräche der Kinder oft um Geschenke, und bange Fragen welche ihrer Wünsche wohl erfüllt werden würden, aber auch wie sie selbst Freude bereiten und ihre Lieben beschenken könnten. Ja, mit was könnten ihnen besondere Überraschungen gelingen? Sie hatten darüber gesprochen was sie sich selbst wünschten, und wie sie selbst mit kleinen Dingen ihre Lieben beglücken, vielleicht kleine Teilchen basteln wollten.
Heute hatte unter anderem Zeichnen auf dem Stundenplan gestanden, und die junge fröhliche Kunstlehrerin hatte die Kinder ermuntert und dazu aufgefordert, weihnachtliche Motive zu malen.
Bald waren die Erstklässler ganz vertieft in die Malerei, mit vor Eifer hochroten Bäckchen, und die unterschiedlichsten Vorstellungen wurden in fantastischen Farben zu Papier gebracht.
Matteo, ein vorwitziger kleiner Bursche, dessen Kopf immer voll krauser Gedanken war und immer gerne Späße machte, oder auch mal die Mädchen verulkte, stiefelte durch die Klasse zum Papierkorb. Dabei kam er am Pult der kl. Karla vorbei, sah auf ihr Bild und lachte laut auf. Erschrocken schaute die Kleine ihn an, und alle anderen Köpfe flogen in die Höhe und fragten sich warum er so ungeniert laut los prustete. „Schaut mal, sie hat einen schwarzen und einen roten Engel gemalt“ lachte er, „die gibt es ja gar nicht.“ Karla war sehr erschrocken, die Tränen schossen ihr in die Augen und ihr kleines Gesicht lief rot an, so schämte sie sich dass der Klassenkamerad ihre Engel so verlachte.
Die Lehrerin war bemüht wieder etwas Ruhe in die Klasse zu bringen, und forderte ihn geduldig auf wieder an den Platz zu gehen, um darüber zu sprechen. „Was findest du denn so lustig“ fragte sie ihn, nachdem er brav an den Platz zurückgezottelt war. „Nun schauen sie doch, es gibt doch nur weiße Engel, vielleicht auch goldene so um Weihnachten, aber keine schwarzen oder bunten.“
Mucksmäuschen still war es geworden, alle schienen den Atem anzuhalten bei diesen Worten. „Wer sagt denn dass Engel weiß sind oder
golden,“ fragte Frau Fröhlich. Die Kinder schauten verunsichert, verständnislos, schwiegen aber. Vom Naseweis aber tönte es mutig:
„ Pah das weiß doch jeder, sie sehen doch immer so aus, weiße Kleider, goldene Haare, weiße Flügel.“ Überzeugt von sich und seinem Wissen, wartete er von sich überzeugt und stolz lachend auf neue Reaktionen und allgemeine Zustimmung. Es blieb still, fast wurde ihm nun etwas unheimlich, weil keiner dazu etwas sagte. Die Lehrerin fragte Karla, warum sie ihre Engel so dargestellt habe. Die Kleine wagte kaum zu antworten so arg war sie erschrocken, aber nach ein paar freundlichen, ermutigenden Worten erklärte sie es so:
„der schwarze ist ein Engel aus Afrika, der weiße ist unser Engel von hier, und überall wo die Menschen eben hellhäutig sind.
Der rote ist der Engel, der all die Indianerkinder beschenkt, der gelbe chinesisch.“ „ Hahaha“, prustete der vorwitzige Schlaumeier gleich wieder auftrumpfend los; „Indianerengel, Afrikaengel, Chinesenengel, so was Blödes, das gibt es ja alles gar nicht.“ Die junge Lehrerein beschwichtigte seinen Ausbruch, und beugte so dem erneuten Tränenstrom des kleinen Mädchens vor.
„Was meinen denn die anderen Kinder dazu,“ fragte sie? Keines traute sich so recht, das war eine schwere Frage. Ja wie sahen denn Engel wirklich aus? Keines der Kinder hatte je einen bunten Engel gesehen, weder auf Bildern noch davon gehört, dass es sie gäbe. Gemurmel hörte man, aber keines sagte etwas dazu. Noch einmal fragte sie nach, machte Mut, ihre Meinung zu äußern.
Nach und nach kamen endlich zögerlich kleine Stimmchen die sich auf die Seite der kleinen Karla schlugen. „Ich weiß es ja auch nicht,“ sagte Isabel, „auf Bildern sieht man immer nur weiße, sehen kann man sie nicht wirklich, sie sind ja im Himmel, helfen dem Christkind und beschützen auch uns hier auf der Erde.“ Schweigen folgte, aber einvernehmliches Kopfnicken. Das kam der Vorstellung der Kleinen allgemein schon ziemlich nahe.
Man fragte die fantasiebegabte Zeichenkünstlerin. Sie sollte es doch mal genauer erklären, denn sicher hatte sie sich etwas dabei gedacht. Sie hatte ja schon gleich erklärt, dass sie glaube dass es bunte Engel gäbe, je nachdem wo sie wohnen, wie die Menschen, die auch in unterschiedlichen Erdteilen andere Hautfarbe hätten.
„Die Menschen in Afrika sind dunkel, haben kaffeebraune Haut, mal mehr mal weniger, schwarze Haare. Chinesen haben gelbe Hautfarbe, Indianer nennt man ja auch Rothaut,“ erklärte sie, „ wir sind Weiße, und bestimmt gibt es auch Menschen die noch andere Hauttönungen haben.“ Ihr Onkel der Archäologe war, reiste viel in der Welt umher und konnte jede Menge spannender Geschichten erzählen.
Die Kinder hatten still zugehört; mit großen Augen lauschten sie der Erklärung der kleinen Freundin und bestaunten was sie alles wusste.
Ja, so könnte es ja wirklich sein, warum sollten Engel immer weiß sein, sie wohnten ja überall auf der Welt. Vielleicht war es gar nicht so falsch zu glauben dass sie so unterschiedlich seien wie die Hautfarben der Menschen.
Plötzlich waren alle fasziniert von der Idee der bunten Engel, und schnell beugten sich die Köpfe wieder über die Zeichenblöcke, um in herrlichsten Farben bunte Engel zu malen. Der vorlaute kleine Mann malte schließlich einen blauen mit großen Spritzern, und erklärte der verdutzten Lehrerin, „wenn es bunte Engel gibt, dann gibt es auch einen blauen. Der hat sich wahrscheinlich mit Tinte beschmiert, da er noch so unbeholfen und ungeschickt damit ist.“
Er war etwas bockig, da er nicht Recht bekommen hatte. Sie ließ ihn und schmunzelte, und lobte all die wunderbaren Einfälle. So entstanden in den folgenden Kunststunden weitere bunte Engel, herrliche Phantasiegestalten, und die Begeisterung daran wuchs. Irgendwann hing eine ganze Galerie an der Wand, ein Bild war schöner als das andere, und zu jedem wussten sie eine nette Geschichte zu erzählen. In allen Klassen wurde zu einem kleinen Wettbewerb aufgerufen, und alle durften Ideen einbringen was gemacht werden sollte. Man entschloss sich, den schönsten Stern zu basteln der im Eingang aufgehängt werden sollte, dort wo die Kinder morgens nun immer ein Liedchen sangen, da Weihnachten nahe war.
Die Klasse mit der schönsten Idee, dem schönsten Stern, und der passendsten Geschichte sollte das Weihnachtsmärchen von der Schneeprinzessin besuchen dürfen.
So ungewöhnlich wie die Geschichte der bunten Engel entstanden war, so wundervoll war die Idee, daraus einen bunten Stern zu zaubern.
Alle Kinder die eifrig bunte Engel gemalt hatten bastelten nun ihren Engel aus farblich passend buntem Foto-Papier, klebten alle Engel auf einen großen runden, goldenen Hintergrund, und bekamen so einen farbenprächtigen, wundervollen, wenn auch ungewöhnlichen Stern.
Still, fast andächtig staunend standen alle anschließend um das gelungene Kunstwerk herum. Begeistert waren sie, selbst der anfänglich recht vorlaute Lausbub der so laut gelacht hatte, war ganz ergriffen von der Farbenvielfalt, und fand es wie alle nur noch wunderschön. Eine tolle Idee, aus lauter Engeln einen ganz besonderen Stern zu kreieren, der dazu seine eigene Geschichte bekam, warum er genau so aussehen musste.
Ihr denkt es euch sicher schon. Er war es, der farbenprächtige Engelstern,
der den 1. Preis gewann. Die Freude war unbeschreiblich groß. Sie durften das Weihnachtsmärchen besuchen, und fortan waren die bunten Engel einfach etwas ganz Besonderes für jedes Kind.
Autor:Evelyn Gossmann aus Mülheim an der Ruhr |
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