Buchbesprechung - Andreï Makine: Das französische Testament
„Diese Frauen wussten alle, was sie tun mussten, um schön zu sein, nämlich, kurz bevor das Blitzlicht sie blendete, jene geheimnisvolle französische Silbenfolge sprechen, deren Sinn nur wenige kannten: »pe-tite-pomme.« Statt sich in heiterer Verzückung oder ängstlicher Verkrampfung zu verziehen, rundete sich der Mund anmutig wie durch ein Wunder. Das ganze Gesicht war wie verwandelt. Die Brauen wölbten sich leicht, die Wangen dehnten sich. Man sagte »petite pomme«, und ein Hauch von träumerischer Abwesenheit verschleierte den Blick, ließ die Gesichtszüge edler erscheinen, tauchte die Aufnahme in das gedämpfte Licht verflossener Tage.“
Betr.: „Pe-tite-Pomme“ - Dehnungsübung für die Visage
Gut, der hat das für Frauen gemeint, ein Schönheitstipp für fotografische Aufnahmen. So wie man hier bei diesen Anlässen gerne „cheese“ sagt.
Aber ich wollte diesen „Kleiner-Apfel-Trick“ unbedingt auch mal selbst ausprobieren: „pe-tite-pomme“! Vielleicht auch mal in der drängenderen Form „pe-ti-te pomme“, die rhythmisch an das Schicksalsmotiv von Beethovens 5. Sinfonie erinnert.
Und ich versuchte mir gleich auch die Lebendigkeit vorzustellen, wenn eine ganze Damen-Gruppe die Lippen zum plapprigen „petite pomme“ formt.
Man kann den Ausdruck natürlich auch googeln und stellt fest, dass dieser als feminine Posierhilfe völlig unbekannt zu sein scheint, aber von einer dänischen Firma für ringförmige Schwimmhilfen, kleine Rettungsringe, beworben wird.
Mein Selbstversuch mit einem Videomitschnitt, bei dem ich dreimal den Unterschied zwischen stummem Dreinschauen und der Artikulation des Makine’schen Geheimtipps „pe-tite-pomme“ testete, fiel ernüchternd aus.
Das zweimalige p presst die Lippen zusammen, sieht also nicht anders aus als bei der stummen Version. Lediglich das „tite“, also „tit“ ausgesprochen, gibt kurz die Zähne zu einem Lächeln frei, was aber durch das folgende p von „pomme“ flugs verschwindet und stattdessen eine lochartige Öffnung freigibt, die gottseidank durch das doppellange m schnell wieder geschlossen wird.
Mag sein, dass es bei den Frauen in Sibirien oder auch Paris gewirkt hat, in meinem Gesicht auf dem Testvideo konnte ich weder ein „Aufleuchten der Schönheit“ noch eine „edle Abwesenheit“ entdecken.
Allemal netter blickte ich drein, wenn ich „pommes“ sagte und wie die Fritten aussprach.
Fazit: Da muss der Verschluss der Kamera schon genau beim “tit“ zuschnappen, um annähernd vorteilhafte Fotos wie beim bewährten „cheese“ zu schießen.
Als Tipp also unbrauchbar, aber sonst ein ganz wunderbarer Roman von 1995 bzw. 1997
Man muss ja nicht unbedingt googeln, wie der mehrfach erwähnte Singvogel Ortolan zubereitet und verspeist wird. Es geht Makine um den Klang der französischen Sprache, und der ist in völligem Einklang mit dem Tierwohl.
Autor:Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr |
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